Die Orgel bitte etwas cooler

Wer in den letzten Tagen in den Dom wollte, dem konnte es passieren, dass er vor verschlossenen Türen stand. Denn Triers berühmtestes Gotteshaus war Schauplatz der ersten CD-Produktion der Jugendkantorei.

 Höchste Konzentration ist bei der Aufnahme nötig. Foto: Jugendkantorei

Höchste Konzentration ist bei der Aufnahme nötig. Foto: Jugendkantorei

Trier. Hochspannung ist den Jungen und Mädchen anzumerken, und auch ein bisschen Stolz. Rundherum sind sie auf der Dom-Empore eingezwängt von meterhohen Mikrofon-Galgen, die aus einem Aufnahmestudio im Nebenraum gesteuert werden. Das hier ist keine Feld-, Wald- und Wiesen-Produktion. Stolze 16 000 Euro hat man in die Technik investiert. Schließlich soll das Werk nicht nur "Gloria" heißen, sondern neben Gottes Ruhm auch den des profilierten Klangkörpers mehren. Die Jugendkantorei ist ein musikalisches Aushängeschild des Doms. Mehr als 60 Kinder und Jugendliche singen unter der Leitung von Domkantor Thomas Kiefer, die meisten davon sind Mädchen. An diesem Abend im Dom sind knapp 40 im Einsatz, auf dem Programm steht ein kniffliges zeitgenössisches Werk, das den Schlusspunkt auf der CD setzen soll. Kein Schwelgen in stimmbandfreundlichen Harmonien, dafür diffizile Einsätze und ätherische Höhen, in die sich die Soprane aufschwingen sollen. "Das Singen selbst ist nicht so anstrengend, aber das Drumherum", erzählt Charlotte Feidicker. "Vor allem tun die Füße weh", ergänzt Helena Geißler. Kein Wunder. Fünf Tage hintereinander jeweils fünf Stunden hochkonzentrierte Aufnahme-Arbeit, neben der Schule: Das haut schon rein.Ein Folterknecht, der Qualität zuliebe

Auch Thomas Kiefer sieht etwas mitgenommen aus. Vielleicht Muskelkater, denn die ausladenden Armbewegungen, mit denen er seinen Chor dirigiert, erinnern an Windmühlenflügel. Wahrscheinlich dient der Bewegungsdrang der Kompensation. Denn anders als sonst darf er keinen Ton mitsingen, wenn die Aufnahme läuft. "Noch mal neu, du hast da was mitgebrummt", tönt es aus der Box, über die Aufnahmeleiter Gunni Mahling seine Direktiven erteilt. Manchmal fungiert er auch als Folterknecht - der Qualität zuliebe. "Die Orgel etwas cooler, der Chor etwas impulsiver", lautet der Marschbefehl. "Jetzt war es viel besser", heißt es zwei Minuten später. "Also ich habe genauso gespielt wie vorher", grummelt Domkapellmeister Stephan Rommels-pacher in seine Orgel.Noch mal, noch mal, noch mal. An jedem Takt wird gefeilt, bis die erlösende Botschaft kommt: "Yes, das war's". Kurz danach stehen 20 Mädels im Studio, um sich das Resultat anzuhören."Klar sind wir stolz, dass wir eine eigene CD machen", sagt Helena. Die Auswahl der einzelnen Stücke ist ihr nicht so wichtig, und auch die lateinischen Texte spielen keine so große Rolle. "Irgendwann kann man sie halt", meint Charlotte, die privat sonst eher "Juli" hört. Helena steht auf "Die Ärzte". Aber noch müssen sie sich mit Mendelssohn befassen, mit Rheinberger oder Rutter, mit Spirituals und Preisgesängen. Schließlich soll die CD, wenn sie im Oktober erscheint, eine Auswahl der großen "europäischen geistlichen Chormusik aus drei Jahrhunderten" präsentieren. Dass sie Käufer finden wird, daran hat Thomas Kiefer angesichts der Riesen-Nachfrage bei der Dom-Information oder bei den vielen Konzerten keinen Zweifel. Und Kapellmeister Rommelspacher erwägt sogar, mit dem Produkt auf den großen CD-Markt zu gehen. Die Kids von der Domkantorei gehen derweil erst mal auf große Reise. Ab Montag steht eine Zehn-Tage-Tournee durch Frankreich auf dem Programm, mit Konzerten in Straßburg, Dijon, Paris. Aber auch mit einem Besuch im Euro-Disney. Und der ist echt verdient.

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