Die Perlenstickerinnen

(A.W.) Der Titel erweckt womöglich den Eindruck, man hätte es mit einem historischen Film zu tun. Und doch ist die Geschichte, die Regisseurin Eléonor Faucher in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm erzählt, mitten aus dem heutigen Leben gegriffen.

Claire, die Heldin der Geschichte (dargestellt von Lola Naymark aus "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran") steht allerdings momentan neben diesem Leben. Die 17-jährige Supermarktkassiererin ist ungewollt schwanger geworden und hat ihr Zuhause verlassen, bevor dort jemand ihren Zustand erkannte. Claire will anonym gebären und das Kind zur Adoption freigeben. Ihre ganze Liebe investiert das Mädchen in Handarbeiten, die sie von ihren Problemen ablenken. Auch Guillaume (Thomas Laroppe), der Bruder einer Freundin Claires, ist seelenwund. Er gibt sich die Schuld am Tod des Sohnes von Madame Melikian (groß: Ariane Ascaride), einer ortsansässigen Stickerin. Die still leidende Frau ist frei von Schuldzuweisungen, aber der Schmerz droht sie zu verzehren. Dann steht eines Tages Claire vor ihrer Tür, die nicht mehr in den Supermarkt zurück will. Bei Madame Melikian findet die talentierte junge Frau einen Job. Über der gemeinsamen Arbeit lernen sich die trauernde Dame und das Orientierung suchende Mädchen schätzen und geben einander neuen Mut. Und irgendwann öffnet Claire den Umschlag mit dem Ultraschallbild, um das Geschlecht des neuen Lebens zu erfahren, das in ihr heranwächst. Auf dem Festival von Cannes und auf dem Hamburger Filmfest erhielt "Die Perlenstickerinnen" im vorigen Jahr Kritikerpreise. Zu Recht: Still und gediegen erzählt sich die Geschichte, in wunderschönen Bildern, die zwar komponiert, aber völlig uneitel sind. Es bedarf nie vieler Worte, um die vielschichtigen Emotionen zu transportieren. Hauptdarstellerin Lola Naymark ist weit davon entfernt, eine klassische Schönheit zu sein. Und doch strahlt sie aus ihrem Innersten, dass man sich sofort verlieben muss. Zwar würden sich Mäd- chen wie ihre Figur Claire - insbe- sondere jene, die als Kinder Kinder kriegen - im wahren Leben wohl eher für den Dancefloor als für Stickereien interessieren. Aber es ist ein schöner Gedanke, dass es auch das Gegenteil geben kann. (Broadway, Trier)

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