Die Seelenverwandte aus Berlin

BITBURG. Vor 250 Zuschauern hat die Musikerin Katja Ebstein im Haus Beda in Bitburg Gedichte und Auszüge aus Werken des deutschen Dichters Heinrich Heine vorgetragen.

"Es ist eine Seelenverwandtschaft." Das, was ihn und sie verbindet. Ihn, Christian Johann Heinrich Heine, einen der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, der 1856 im Alter von 58 Jahren starb. Und sie, Katja Ebstein, Musikerin, Schauspielerin und von Heine fasziniert, seit sie im Alter von zwölf Jahren das erste Mal mit einem seiner Werke, dem "Buch der Lieder" in Berührung gekommen ist - wie sie fast ein halbes Jahrhundert später vor 250 Besuchern im Haus Beda offenbart. Es ist der 2. Oktober, der Abend vor dem Tag der Deutschen Einheit, dem Nationalfeiertag eines Landes, das Heine nicht schlafen ließ, wenn er des Nachts daran denken musste, und das ihn auch ansonsten viel beschäftigte. Weil der Dichter sich um die politischen Verhältnisse dort sorgte und weil er die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Kluft zwischen Reich und Arm, in seinen Texten immer wieder anprangerte. "Die spitzen Attacken sind Teil seiner unglücklichen Liebe zu Deutschland", erklärt Katja Ebstein und nennt Heine im Verlauf ihres zweistündigen Programms "den wohl eigenwilligsten deutschen Dichter", ewigen Romantiker und Kosmopoliten, der aber auch "weich, sensibel und wunderbar einfach" sein kann, wenn es um die Liebe geht. Nur eben nicht bei der Hass-Liebe zu seinem Vaterland. "Es ist die Zeitlosigkeit seines Geistes, die mich immer wieder neu herausfordert", sagt die Sängerin, deren Herausforderung einst in den Teilnahmen am Grand Prix d'Eurovision bestand. In einem Alter, in dem Heine aus politischen Gründen das Heimatland meiden musste, durchlebte Ebstein ihr Exil bei Dieter-Thomas Heck in der ZDF-Hitparade, zwischen Mireille Mathieu und Gitte Haenning, sang über den "Stern von Mykonos", den "Indiojungen aus Peru" und das "Theater, Theater". An diesem Abend im Haus Beda tut sie das nicht. Vielmehr widmet sich die gesellschaftskritische und sozial engagierte Künstlerin Heines Werken, singt dessen Gedicht "Die schlesischen Weber" mit einer bedrohlichen Leidenschaft, als ginge es darum, das Bitburger Publikum für den Aufstand gegen das System zu mobilisieren: "...Ein Fluch dem falschen Vaterlande, Wo nur gedeihen Schmach und Schande, Wo jede Blume früh geknickt, Wo Fäulnis und Möder den Wurm erquickt...". Doch dem Aufstand der Weber folgt keiner in Beda - obwohl das Publikum begeistert ist, wenn Katja Ebstein, beleitet von Stefan Kling am Flügel, beispielsweise das Loreley-Lied singt oder aber Heines selbstironischen Werke der letzten qualvollen Lebensjahre in dessen "Matratzengruft" vorträgt. Wären sie sich wirklich begegnet, irgendwo dazwischen, vielleicht Anfang der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts bei einer Demo gegen Atomkraft, hätte Ebstein womöglich einen Rat auf Heines unglückliche Liebe zu Deutschland gewusst: "Dann heirat' doch dein Büro..."

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