Die Seite der Sieger

TRIER. Die gute Seite des Winters: Die deutschen Indie-Rocker Sportfreunde Stiller haben einen Hauch von Sommer in die Trierer Messeparkhalle gebracht. 4000 Zuschauer ließen sich den vom TV präsentierten Auftritt der Bayern nicht entgehen.

Während draußen auf dem Messepark die Autoscheiben zufrieren, heizt sich bei Sportfreunde-Schlagzeuger Flo die Fantasie so richtig auf. "Es ist ja sehr wahrscheinlich", setzt er an, "ach was: es ist schon sicher, dass sowohl der TSV 1860 von München und auch Eintracht Trier gemeinsam im nächsten Jahr in der Bundesliga gegen die Bayern spielen werden." Für den frommen Wunsch bekommt der Fußball-Fan viel Zustimmung vom Trierer Publikum, wenn auch nicht für seinen ausgeprägten Realitätssinn. Genau so, wie Sänger und Bayern-Fan Peter bei seinem Ansagen-Lob "Hier herrscht gute Eintracht" gefeiert wird. Tja, nur ein paar Saarländer (eine reine Ferndiagnose) sehen das anders und pfeifen. Fußball ist eben wie Musik und wie das Leben. Alles passt, aber nichts gehört zusammen. Die Sportfreunde Stiller berichten davon. Wo ist die "gute Seite", von der sie singen? Können etwa Saarbrücken- und Eintracht-Fans auf der gleichen Seite im Leben stehen, "Löwen"- und Bayern-Anhänger die selbe Bühne teilen? Wenn die 13-Jährige im "Ich, Roque"-Shirt laut den Refrain von "Wunderbare Jahre" mitschreit, denkt sie vielleicht dabei an den vergangenen August am Stausee. Beim Mittdreißiger neben ihr spult dagegen womöglich das Langzeitgedächtnis in die Jahre 1988, 89, 90 zurück. Obwohl die Kopf-Kassette schon reichlich leiert. Die Schnittmenge zwischen den Welten bilden ein paar Akkorde, krachige Gitarrenriffs und Texte, die als Antidepressivum fast rezeptpflichtig sein könnten. Das Übermaß an Optimismus, die volle Pulle Pathos, wird den Münchnern gern mal übel genommen. Weil sie so lebensbejahend sind, dass mancher Gegner schon aus Protest "nein" ruft. Weil die Sportfreunde zwar auch Bush nicht mögen, aber trotzdem lieber über "Wellenreiten" singen als über die Doofheit der Welt. Das Trio kann eben besser Leute unterhalten, als schnell per Liedtext das Universum zu retten. Musikalisch war das früher oft eine Zitterpartie, aber das ist vorbei. Die Sportfreunde haben eine neue Qualität erreicht, auch wenn sie - gut so! - nie zum Real Madrid der Rockmusik werden. Mit den Nordiren "Ash" (der Vierer hilft auch bei "Ich, Roque" aus) haben sie zudem eine klasse Vorgruppe dabei, die an den Instrumenten eine Spur besser ist - bei der Stimmung landen Flo & Co. aber einen Kantersieg.

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