Die Welt ist ein unsicherer Ort

Trier · Zwei Stücke kubanischer Choreographen wurden als "Tanz 4" der Tanzsparte am Samstag im Trierer Theater uraufgeführt. Die beiden Choreographien über die Nichtigkeit menschlicher Existenz bedachte das Publikum mit Jubel.

Trier Der Menschen Leben sei nichts als eine Phantasie der Zeit, schrieb unerhört aktuell Andreas Gryphius vor bald 400 Jahren. Der barocke Dichter fuhr fort: "Was wir auf ewig schätzen, muss mit der Zeit vergehn." Etliche Jahrhunderte später hat der Existenzialismus Gryphius uralte Vanitas-Gedanken, soll heißen das Wissen um Vergänglichkeit und Unsicherheit aller menschlichen Verhältnisse, neu und zeitgeistig für die Moderne formuliert. "Der Mensch ist seine Existenz", heißt es da. Und die ist voller Angst, Furcht und Verunsicherung. Die jüngste Produktion der Tanzsparte des Theaters Trier "Tanz 4", die am Sonntag Premiere hatte, greift auf solches Weltverständnis zurück. Ein unsicherer Ort ist die Welt den Schöpfern der beiden uraufgeführten Tanzstücke "Imagine A....Right in the middle" (Choreografie Julio Cesar Iglesias Ungo und Alexis Fernandez Ferrera) sowie "And my beloved" (Choreografie David Hernandez). In den beiden Arbeiten der kubanischen Choreographen wird die Bühne zum Lebens- wie Seelenraum, zum Modell einer Welt, in der die Tänzer gleichermaßen ihre biologische Existenz, soll heißen ihre Körperlichkeit, wie ihre "Essenz" sprich ihr geistiges wie emotionales Wesen ausleben.
Einen atmosphärisch dichten, eher stillen Raum haben Ungo und Ferrera geschaffen. Zunächst ist da nur der aufgeregte Klang von Sprache, die verinnerlicht und in Bewegung verwandelt wird. In der tänzerisch geradezu minimalistischen Arbeit kommen die beiden Choreographen mit sparsamsten Mitteln aus, um den Prozess von Annäherung und feindseliger Zurückweisung, von Zusammenhalt und Auflösung in der Bewegung zu veräußern. Dazu bereitet das melancholische Cello von Anne-Sophie Claeys "Maya" und ihre klagende Singstimme einen dunklen Klangboden. Zither und Gitarre erhöhen den Eindruck von Fragilität.
Weit dynamischer und vielgestalter ist David Hernandez Choreographie. Unübersehbar sind darin Anklänge an Arbeiten der belgischen Tanzkompanie Rosas von Anne Teresa de Keesmaekers zu erkennen, für die der Kubaner mehrfach arbeitete. Wie der Tänzer Hernandez so der Choreograph: Dynamisch treibt Hernandez das Geschehen voran und hält brilliant- wie im richtigen Leben - die Balance zwischen Komik und Ernst. Gekonnt ist sein Umgang mit dem Raum.
Mit Hilfe von geometrischen Architekturelementen (Ausstattung beider Choreographien Katrijn Baeten, Saskia Louwaard) schafft er neue individuelle Räume. Sie sind Zeichen wie Mittel der wechselnden Verhältnisse, in denen die Prozesse von Abgrenzung und Entgrenzung ablaufen, sind Schutzraum wie schräge Ebene. Bisweilen dienen die Kuben als Podeste, auf denen die Tänzer wie auf einem Siegertreppchen stehen, jederzeit vom Absturz bedroht. Die Musik von Terry Riley, Nick Drake, David Lang unterstreicht den phantastischen Charakter des Geschehens und steuert die Bewegungsabläufe. Einmal mehr zeigt sich in diesem eindrucksvollen Tanzstück, in dem Hernandez dynamisch die Tänzer zu Gruppen zusammenführt, um sie anschließend zu vereinzeln, die ausdrucksstarke Körpersprache der Trierer Tänzer, ihr feines Gefühl für Rhythmus und Bewegungsabläufe, sowie ihre ungeheure tänzerische Energie. Wunderschön geraten die Pas de Deux der Choreografie.
Leider blieben zur Uraufführung weite Teile der Reihen des Theatersaals leer. Dafür bedankte sich das vorhandende Publikum mit kaum endendem Jubel.
Weitere Aufführungen des Stückes sind für den 13., 14., 19., 21., 23. Mai und 16. Juni, jeweils um 19.30Uhr geplant.

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