Die leise Macht der sanften Klänge

Trier · Mit Interpretationsklischees lässt sich der Orgelmusik von César Franck nicht beikommen. Josef Still versenkte sich im Eröffnungskonzert der Internationalen Orgeltage im Trierer Dom ganz in den eigenen Stil des bedeutenden Komponisten - künstlerisch ergiebig, aber nicht ohne Risiken.

Trier. "Die Orgel ist mein Orchester." Das Motto, das Josef Still seinem César-Franck-Programm zur Eröffnung des diesjährigen Dom-Orgelzyklus mitgegeben hatte, ist missverständlich und trifft doch den Punkt. Selbstverständlich hat Franck nie die Ästhetik des Orchesterklangs auf die Orgel übertragen (und unterscheidet sich damit vielfach von den modernen Arrangements, aber auch oft von traditioneller Orgelsinfonik). Er entwickelte vielmehr seine spezifische Tonsprache, seinen spezifischen Orgelklang. Genau damit hat er die Orgel zu "seinem Orchester" gemacht.
Schade, dass bei Josef Still gerade im einleitenden h-Moll-"Choral" aus Francks Todesjahr 1890 noch Anfangsnervosität spürbar war, dass sich noch nicht der ruhige Atem einstellte, der diese Musik aufblühen lässt. Denn der Trierer Domorganist begnügte sich in diesem Konzert nie mit Klang- und Interpretationsklischees. Er suchte und fand das Spezifische in Francks Orgelstil, seine faszinierende Verbindung aus Intensität und Intimität.
Still orientiert sich sorgfältig an den Manual-Vorgaben Francks und berücksichtigt auch dessen Register-Vorschläge. In der Klanggebung des Organisten ist die Vorstellung des Komponisten immer präsent.
Atmosphärisch statt präzise


In der Fuge aus "Prélude, Fugue et Variation" op. 18 und überhaupt in allen Fugato-Passagen zielt Still nicht neobarock auf Unterscheidung der Stimmen, sondern bettet sie ein in einen flächigen Gesamtklang. Immer wieder sucht Still den kantablen, den "singenden", den atmosphärischen Zug in Francks Musik und riskiert in der halligen Dom-Akustik dabei auch Unschärfen. Bei den Sechzehntelfiguren im Finale der "Grand Pièce symphonique" dominieren nicht gnadenlose Präzision und nicht herausgekehrte Virtuosität. Still breitet den Satz aus zu einem farbenreichen, nuancierten Klanggemälde.
Und der Fortissimo-Schluss im Finale dieser frühen Komposition, die sich von allen Franck-Orgelwerken noch am ehesten an traditionell-orchesternaher Orgelsinfonik orientiert - er wird zum hell klingenden, von dumpfer Wucht völlig abgelösten Signal.
Am überzeugendsten gelang dieses Konzert in den leisen Passagen. Da entwickelte der Domorganist fließende, farbenreiche, dabei oft in sich gekehrte Interpretationen. Der erste Teil der E-Dur-Pastorale atmete solche Intimität, die Variationen zu "Pré-lude et Fugue" und die beiden Andante-Sätze der "Grand Pièce" gleichfalls.
Vor allem in solchen Momenten wurde nachvollziehbar, dass Franck sich von traditioneller Orgelsinfonik durch eins unterscheidet: nicht so sehr die offensive Energie in den Forte-Passagen, sondern die eindringliche Macht der sanften Töne. 140 Zuhörer sind beeindruckt.

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