Die schwärzeste Weisheit

ESCH/LUX. Das Schöne im Traurigen: Die englische Band Sophia um Robin Proper-Sheppard ist so schwermütig, dass selbst dem drolligsten Kirmes-Gemüt das Lachen in der Luftröhre stecken bleiben könnte. Nicht nur das machte die Band beim Konzert in Esch zu etwas ganz Besonderem.

Pssst. Sei bloß still! Der Typ aus der hinteren Ecke sucht neue Feinde. Er will sich zumindest sehr, sehr unbeliebt machen. Da ruft er mehrfach "God Machine" Richtung Bühne. Beim Sophia-Konzert. God Machine - das ist die Ex-Band von Sophia-Kopf Robin Proper-Sheppard. Der trägt im halbvollen, kleinen Rockhal-Saal nicht nur ergreifende, todtraurige Lieder vor. Sondern er gilt auch als jemand, der es hasst, auf seine frühere Band angesprochen zu werden. Nicht nur, weil er die mit dem Tod seines Freundes und Band-Mitglieds Jimmy Fernandez verbindet. Dann kann er unwirsch reagieren und die Lust aufs Konzert verlieren. Das wäre verdammt schade. Auch wenn Sophia - das bedeutet auf griechisch "Weisheit" - schon an der Zugabe arbeitet.Mist. Der Schreihals wurde gehört. Proper-Sheppards Miene verfinstert sich. Vielleicht. Es ist schwer zu sagen, weil das funzlige blaue Restlicht nur seinen Hinterkopf erreicht. Seine Gesichtszüge arbeiten versteckt, im Schatten. Wie seine Lebensfreude. Die Akustikgitarre fleht um den Moll-Akkord. Die Stimme bricht. Nicht nur, weil Proper-Sheppard gerade in etwa "Der Tod kommt sooo langsam, wenn man auf ihn wartet" singt. Anschließend antwortet er dem einsamen Rufer: "Du bist 15 Jahre zu spät. Du kannst tausend Mal God Machine rufen. Das wird nichts ändern."

Der Provokateur hat Glück. Der eher zerbrechliche Proper-Sheppard - einer, den man sonst eher mit Samthandschuhen anfassen sollte - lässt sich nicht beirren. Ein großes Konzert braucht ein großes Ende. Das weiß er. Und das hat sich das Luxemburger Publikum verdient, das auch in den gehauchtesten Momenten der Melancholie mucksmäuschenstill lauschte. Denn die Stille, die Trauerarbeit, das leise Leid, das ist nur die eine Seite des Wahl-Londoners. Fünf ausgezeichnete Musiker hat er mit dabei. Wie gut das harmoniert, zeigt sich bei der mächtigen letzten Zugabe - "The River Song". Mit ausuferndem, brachialen Ende, mit gleich vier Gitarristen (!). Wer da anschließend noch God Machine vermisste, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

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