Die singen viel besser als bei den Superstars

Mozarts "Zauberflöte", auf 90 Minuten gekürzt, verständlich für Kinder und trotzdem unterhaltsam auch für Erwachsene, künstlerisch zeitgemäß, aber ohne verquaste Interpretation, musikalisch tragfähig trotz halbierter Länge: Das Theater Trier hatte sich einiges vorgenommen. Es dauerte dann doch etwas länger, aber das Ergebnis war es wert.

Trier. Ungewohnt fröhliches Gewimmel vor einer Opern-Premiere: Gut die Hälfte des Publikums sind Kinder, viele in froher Erwartungshaltung ("Opa hat gesagt, die singen hier viel besser als bei den Superstars"), andere eher gedämpfter Stimmung ("Ich bin bloß da, weil sich Mama das zum Muttertag gewünscht hat"). Aber der klassische Guckkasten mit der stilisierten Weltkugel drumherum braucht sich nur ganz kurz zu öffnen und zur Ouvertüre den Blick auf ein scherenschnittartiges Bühnenbild freizugeben, schon herrscht allseits konzentrierte Ruhe. Beliebteste Waffe der Theater

Auf der mehr oder minder verzweifelten Suche nach Zuschauer-Nachwuchs fürs Opernhaus ist die "Zauberflöte" hier zu Lande die beliebteste Waffe der Theater. Eingängige Musik, lustige Figuren, märchenhafte Handlung: Ideal für Kinder, aber auch für erwachsene Opern-Einsteiger, wenn da nur nicht die grausliche Länge von dreieinhalb Stunden und die quälende Freimaurer-Philosophiererei wäre. Der Versuch, die Zauberflöte kompatibel zu machen fürs DSDS-Publikum, endet freilich meist in einer Art erzähltem Opernführer mit reduzierter Musikbegleitung. Regisseur Lutz Schwarz und Dirigent Christoph Jung gehen das in Trier ganz anders an. Die Handlung wird zwar um etliches gekürzt, bleibt aber aus sich heraus bestehen und muss sich ohne Erläuterung durchsetzen. Geschichte bleibt im Märchenhaften

Das ist konsequent und mutig, und es funktioniert - jedenfalls so lange wortverständlich gesungen wird. Die Geschichte bleibt im Märchenhaften, wird aber auch schon mal spielerisch aktualisiert. Hohepriester Sarastro ist ein Politiker, Papageno verteilt Visitenkarten von seinem Vogelfang-Service, die drei Damen klatschen sich ab wie Fußballer, Papagena kommt als alte Stadtstreicherin mit Aldi-Tüten bepackt daher. Aber das ist keine zeitgeistige Zwangsbeglückung, das nimmt einfach Stimmungen aus dem Original auf und übersetzt sie in heute verständliche Chiffren. Natürlich sind es besonders die Einsätze der Bühnentechnik, die den Puls höher schlagen lassen. Wenn sich die Hubpodien bewegen, Figuren durch die Luft schweben, Prospekte mit verwirrenden Raum-Perspektiven erscheinen, dann geht ein Raunen durch den Saal. Aber Schwarz und seine Bühnenbildnerin Sabine Mann widerstehen der Versuchung des Special-Effects-Spektakels, arbeiten mit einfachen, klaren Zeichen. Dazu steuert Carola Vollath anschauliche, farblich klug kombinierte und kontrastierte Kostüme bei. Solide und ernsthaft: Die musikalische Umsetzung. Christoph Jung und die städtischen Philharmoniker lassen keine Qualitätsabstriche zur "großen" Zauberflöte erkennen, und Spannungs-Lücken durch die Kürzungen sind ebenso wenig spürbar. Dass die drei Damen (Magali Schmid, Silvia Lefringhausen, Angela Pavonet, letztere auch als souveräne Papagena) nicht primär als Solistinnen tätig sind, ahnt nur, wer sie aus dem Theaterchor kennt - ihre Leistung lässt nichts zu wünschen übrig. Thomas Schobert zeigt als Sarastro/Sprecher noch einmal, was Trier demnächst entbehren wird, Andreas Scheel kann als Papageno an seinen Erfolg bei der Kindermann-Zauberflöte anknüpfen, Eric Rieger gibt einen respektablen Tamino. Hochspannend die beiden weiblichen Hauptrollen: Evelyn Czesla verkörpert als Pamina darstellerisch überzeugend und stimmlich tadellos eine Identifikationsfigur für die Kinder. Adréana Kraschewski könnte als Königin der Nacht eine ganz Große werden, weil sie diese Rolle - bei aller vorhandenen Kunstfertigkeit - nicht als perfekte Koloratur-Gesangsmaschine anlegt, sondern mit überzeugender emotionaler Kraft und Glaubwürdigkeit. Bei der verbalen Präzision gibt es noch Optimierungsbedarf. Der schönste Moment zum Schluss, nach gut zwei Stunden: Kaum will der aufgeblasene Onkel Sarastro zu einer seiner salbungsvollen, aber recht antiquiert-frauenfeindlichen Reden anheben, schwebt die Königin der Nacht herein und lässt per Messerstich die Luft aus seinem dicken Sonnen-Ballon. Worauf sich beide unter dem fallenden Vorhang um die Macht streiten wie kleine Kinder ums Schippchen am Strand. Ach, wenn doch manche "Erwachsenen-Zauberflöte" mit solch frecher Leichtigkeit über die Rampe käme. Der nächste Termin: Sonntag, 18. Mai, 11 Uhr. Karten: 0651-7181818

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