Die wunderbare Macht der Musik

TRIER. Als zauberhafte Kombination von Text, Darstellung und Musik entpuppte sich der Abend "Mein Leben mit Mozart" im Theater Trier. Nach anfänglichen Schwächen entwickelte sich eine intensive, berührende Auseinandersetzung mit dem gleichnamigen Roman von Eric-Emmanuel Schmitt.

Wie funktioniert das eigentlich, was Musik mit unserem Gemüt, unserem Verstand und unserer Seele macht? Wie kommt es, dass ein bestimmtes Lied in einem bestimmten Moment in unser Gefühlsleben einschlägt wie eine Bombe? Welche Kraft steckt in der Abfolge von Tönen, dass sie selbst Hartgesottene zum Weinen bringt, Ungelenke zum Tanzen, Bodenständige zum Schweben? Niemand ist der Antwort auf diese Frage so nahe gekommen wie Eric-Emmanuel Schmitt am Beispiel seines "Lebens mit Mozart". In einem kleinen, jedes überflüssige Wort, jedes Extempore meidenden Briefroman schildert er Stationen seines Lebens und verquickt sie mit der Musik Mozarts, die ihn nie alleine lässt, auch nicht in schier ausweglosen Lagen. "Lieber Mozart", so beginnt jeder der 30 Briefe, die sich über 30 Lebensjahre erstrecken und in Schmitts Buch kombiniert sind mit den jeweiligen Werken des Komponisten, auf die er sich bezieht. Was für eine glückliche Idee, daraus eine Theateraufführung zu machen, mit Orchester und Sängern, die Schmitts Gedanken aufs Schönste lebendig werden lassen. Sie stammt von Chefdramaturg Peter Oppermann, dessen Faible für Literatur-Bearbeitungen das Trierer Publikum nach "Der Vogel ist ein Rabe" und "Madame Bovary" nun schon den dritten Repertoire-Edelstein verdankt. Dabei sah es bei der Premiere anfangs noch nach einem schrecklichen Missverständnis aus. Schmitts filigrane, fast lakonische, immer unaufdringliche Sprachkunst kam dick aufgetragen, laut, hyperaktiv, bisweilen fast zur Comedy entstellt auf die Bühne. So, als hätte Regisseur Gerhard Weber kein Vertrauen zum Text, als müsse man partout ein paar Theater-Effekte aufpfropfen, um die Chose tauglich zu machen fürs große Haus. Dabei zeigte der grandiose Peter Singer in der Rolle des Autors von Anfang an, wo die Stärke von "Mein Leben mit Mozart" liegt: im Wort. Je leiser er werden durfte - und zum Glück durfte er - um so intensiver verbanden sich Text und Musik. Seine Begegnungen mit Mozart, mal zufällig im Taxi, mal bedeutungsschwer nach dem Tod seiner Frau: Nie wirkten sie stärker als in jenen Momenten, in denen Singer stumm den Klängen des Orchesters und der Sänger lauschte - in seiner Physiognomie einen ganzen Kosmos spiegelnd, ausgefeilt bis zur Bewegung des Adamsapfels. Ganz große Kunst. Da gab es nach dem fahrigen Beginn reihenweise magische Theater-Momente, auch dank Katharina Hickmanns stimmungsvollem Bühnenbild. Im Vordergrund der Autor auf einem imaginären Dachboden, umgeben von minimalistischen Accessoirs. Im Hintergrund, durch einen zarten Gaze-Vorhang abgetrennt, die städtischen Philharmoniker in betörenden Licht-Stimmungen. Dirigent Christoph Jung ließ sich zum Glück auf die anfängliche Hektik nicht ein, setzte ruhige, besonnene Kontrapunkte zur Szene. Kein Mozart, der dem Affen Zucker gibt, sondern einer, der die behutsame Melancholie von Eric-Emmanuel Schmitt kongenial aufnimmt. Zartfühlend und angenehm zurückgenommen die Solisten (Michael Corde mit dem Adagio aus dem A-dur-Klarinettenkonzert, Petar Entchev mit dem Adagio aus dem 3. Violinkonzert, Jung mit dem Andante aus dem Klavierkonzert Nr. 21), aufmerksam und sensibel das Orchester. Und dann die Sänger als Tüpfelchen auf dem i: Annette Johansson, Eva Maria Günschmann und Evelyn Czesla mit vorzüglicher Gesangskultur bei ihren Ausschnitten aus der "Hochzeit des Figaro" - die übrigens die Frage nahe legten, warum man nicht diese optimal zu den Möglichkeiten des Ensembles passende Mozart-Oper in die Spielzeit genommen hat statt der "Entführung". Für die "Zauberflöten"-Exzerpte kam ein gut aufgelegter Eric Rieger hinzu, Evelyn Czesla demonstrierte mit "Et incarnatus est" aus der c-Moll-Messe, wie weit sie auf dem Weg ins große Koloraturfach schon ist. Und schließlich, sängerischer Höhepunkt, das zarte Abschieds -Terzett aus "Cosi fan tutte" mit Johansson, Günschmann und einem Andreas Scheel, wie man ihn lange nicht mehr gehört hat. Reihenweise Gänsehaut-Momente. Am Ende ein herzlicher Jubel, der zumindest für Momente vergessen ließ, dass der Saal nicht einmal zur Hälfte besetzt war. Selbst schuld, wer sich diesen außergewöhnlichen Abend entgehen lässt. Termine: 17. Dezember, 21. Januar. Karten: 0651/7181818.

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