"Diese Frau ist eine Provokation"

TRIER. Wie macht man aus einem zentimeterdicken Schinken der Weltliteratur ein funktionierendes Theaterstück? Diese Frage versucht das Theater Trier zu beantworten. Chefdramaturg Peter Oppermann hat Flauberts Roman "Madame Bovary" in ein Schauspiel umgearbeitet. Am 19. Februar ist die Premiere.

Die Geschichte klingt aktuell: Junges Mädchen aus einem Provinzkaff träumt vom tollen Leben in der Metropole, hat - um den schönen antiquierten Begriff zu nutzen - Flausen im Kopf, versucht, weil es anno 1850 noch keine Superstar-Castings gibt, durch die Heirat mit einem angehenden Schönheitschirurgen ihren Wünschen näher zu kommen. Aber alles scheitert, am Ende bringt sie sich lieber um als im miefigen Ambiente alt zu werden. Gustave Flauberts Geschichte der Emma Bovary war Mitte des 19. Jahrhunderts ein ebenso großer Skandal wie Erfolg. Das Buch über (laut Untertitel) "Sitten der Provinz" gehört bis heute zum unverzichtbaren Kanon der Weltliteratur. Aber weder dramaturgische noch filmische Bearbeitungen konnten sich so richtig durchsetzen. "Die Herausforderung für uns ist, etwas zu machen, was eigentlich gar nicht geht", sagt Chefdramaturg Peter Oppermann, der das Textbuch in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Karl-Georg Kayser geschrieben hat. Eine "Eins-zu-Eins-Umsetzung" sei nicht beabsichtigt, betont der Autor, er habe sich "an Schwerpunktmotiven Flauberts orientiert", aber eine "eigene Chronologie und Erzählweise" entwickelt. Dazu gehören auch Text-Elemente anderer Autoren wie Baudelaire - und ein Geiger, der musikalische Akzente setzt. Bei der Realisierung auf der Bühne will Regisseur Kayser, ansonsten Oberspielleiter in Magdeburg, eine platte Aktualisierung vermeiden und auf die Zeitlosigkeit der Titelfigur und eine beredte Bildersprache setzen. Eine egoistische Revolutionärin nennt er Emma Bovary, mit der unbezwingbaren Leidenschaft zum Ausbruch, Täter und Opfer zugleich. "Diese Frau ist eine Provokation, auch heute noch", ist Kayser überzeugt und beantwortet damit auch die Frage, warum man den literarischen Alt-Stoff mühsam fürs Theater aufbereitet, statt sich bei zeitgenössischen Autoren zu bedienen. In Trier heißt die Provokation Claudia Felix. Die 28-Jährige hat sich in nur eineinhalb Jahren ein beachtliches Profil erarbeitet, mit filigranen Porträts wie der Roxane im "Cyrano" und dem großen Solo-Abend als Sängerin "Lola Blau". Zuletzt war sie des öfteren in eher blonden Rollen zu sehen, aber auch das müsse man "erst mal lernen", sagt die gebürtige Niederrheinerin, die direkt von der Frankfurter Schauspielschule nach Trier kam.Claudia Felix: Eigens Französisch aufpoliert

Dass man ihr in einem kleinen Haus sehr schnell sehr schwierige Aufgaben anvertraut, ist ganz in ihrem Sinn. Ebenso wie die Vielfalt. Singen und Tanzen sei ihr "sehr wichtig", erzählt sie, und man merkt es ihren Rollengestaltungen auch an. Zuletzt, bei "Paradise of Pain", war Tanz gefragt, diesmal spielt Gesang eine große Rolle. Sie hat eigens ihr Französisch aufpoliert, schließlich gehören Chansons von Serge Gainsbourg, Francis Lai oder Francois Lemarque zur Welt der Emma Bovary - so wie sie in Trier zu sehen sein wird. Die Situation, ein noch nie aufgeführtes Stück komplett neu zu erarbeiten, findet Claudia Felix spannend. Es wird viel ausprobiert und experimentiert bei den Proben, immerhin muss ein bislang papierner Text auf die Spielsituationen übertragen werden. "Und anders als bei Schiller ist der Autor ja noch da", lacht sie. Aber er werde sich "hundertprozentig raushalten", verspricht Peter Oppermann. Und dann bei der Premiere am 19. Februar mit Hochspannung beobachten, was aus seinem Stück geworden ist.

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