Drei Engel für Edith

Nach dem erfolgreichen Tanz-Stück über den Chansonnier Jacques Brel stellt das Trierer Theater nun Edith Piaf in den Mittelpunkt einer Tanztheater-Produktion. Um die einst berühmteste Sängerin Europas kümmern sich drei Künstlerinnen aus England, Deutschland und Frankreich.

 Gehen im Theater Trier der Legende Piaf auf den Grund: (v. l.)Jean Renshaw, Juliane Hlawati und Florence Absolu. Foto: Theater

Gehen im Theater Trier der Legende Piaf auf den Grund: (v. l.)Jean Renshaw, Juliane Hlawati und Florence Absolu. Foto: Theater

Trier. Es war ein schwieriger Probentag. Einer von jener Sorte, an denen aus unzähligen einzeln geformten Puzzle-Teilen ein Gesamtbild enststehen soll. Wo gesucht und geflucht wird, weil das passende Anschlussstück verschwunden zu sein scheint. So ist Theater - nur dass es das Publikum nie zu sehen bekommt.

Bis 22 Uhr hat Choreographin Jean Renshaw mit ihrer Truppe gearbeitet, länger ist nicht, weil das Haus schließt. Nun, da es langsam auf Mitternacht zugeht, zischt sie mit Tänzerin Juliane Hlawati und Sängerin Florence Absolu im "Miss Marple's" hinterm Theater ein Bier. Ein großes. Vielleicht gibt's ja was runterzuspülen.

"Wir drei sind Kopf, Körper und Stimme von Piaf", flachst Absolu, aber der Spruch hat einen sehr realen Hintergrund. Von Renshaw stammt das Konzept für das Piaf-Stück, Hlawati tanzt die Titelrolle, Absolu und ihre Band interpretieren live die Musik. Drei Frauen, die sich in die Welt und das ebenso erfolgreiche wie tragische Leben der Piaf hineinversetzen.

Dabei könnten die Zugänge kaum unterschiedlicher sein: Absolu, als Französin seit 25 Jahren in Trier, hat die Musik der Piaf buchstäblich mit der Muttermilch aufgesogen. Für Renshaw, die Engländerin, die in Holland, Japan, Italien und an vielen deutschen Bühnen gearbeitet hat, war die Piaf ein Begriff, aber sie mochte sie nicht besonders. Hlawati schließlich, die Berlinerin, die nach zehn Jahren in Gera frisch in Trier angeheuert hat, antwortet auf die Frage, was sie über die Piaf wusste, entwaffnend ehrlich: "Eigentlich nichts".

Das hat sich gründlich geändert. Die kleine Sängerin mit der fesselnden Stimme und dem Leben auf der Berg- und Talbahn bestimmt seit Wochen die Gedanken des Trios. Die märchenhaften Erfolge im Rampenlicht, die Beziehungs-Katastrophen, die selbstzerstörerische Drogen- und Alkoholsucht, der Aufstieg von der "untersten Stufe der Leiter" (Renshaw), den sie sich "fast wie eine Wölfin" erkämpfen musste: Das ist der Stoff, aus dem sich großes Theater destillieren lässt.

Man müsse "kein Piaf-Experte sein, um das Stück zu verstehen", beugt Absolu vor. Und Renshaw will das Publikum "über Gefühlswelten und assoziative Bilder" das Phänomen Piaf begreifen lassen. Dabei erwartet sie viel vom Ensemble. Ihr Tanztheater-Stil, der sie bekannt gemacht hat, liegt nahe am Schauspiel. Die Akteure müssen intensiv mit Gestik und Körpersprache arbeiten, weit über Tanzschritte hinaus. Sie sollen die Figuren "nicht spielen oder darstellen, sie sollen sie sein", fordert Renshaw, und dabei müsse man "bereit sein, über seine Grenzen hinaus zu gehen".

Der Mut zum "Nicht-Schönsein"



Das gilt in erster Linie für ihre Hauptdarstellerin. Dabei käme man äußerlich kaum auf die Idee, Hlawati als Piaf zu besetzen. Sie ist groß, athletisch - eigentlich das Gegenteil des Originals. Und doch hatte Renshaw nach dem "Casting" keine Zweifel: "Juliane hat mehr als andere den Geist der Piaf". Will heißen: Sie traut sich, auch die Extreme dieses Lebens zu zeigen. Und sie ist bereit, sagt Renshaw, "nicht schön zu sein".

Inzwischen ist die zweite Runde Bier gekommen, es wird philosophiert, und man hat das Gefühl, dass sich da drei Leute gesucht und gefunden haben. Aber irgendwann holt der Alltag das Trio ein. Schließlich steht morgen früh die nächste Probe an. Das Puzzle will noch zusammengesetzt werden.

Premiere am 19. Oktober, Vorstellungen am 26. und 29. Oktober, 2. und 21. November.

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