Düstere Träume

LUXEMBURG. Die Namen Manuel de Falla, Strawinsky und Schönberg stehen für den Aufbruch von Musik und Musiktheater im 20. Jahrhundert. Klaus Michael Grüber inszenierte die drei Einakter mit düsterer Nostalgie.

Welch eine Stimmung! Im Bühnenhintergrund Statisten, als wären es Puppen. Vorne ein Klarinettenspieler, Pantomimen, eine Schaustellerin mit Holzreif, ein Mann mit einem Äffchen. Schweigen, sachte Bewegung, düstere Beleuchtung. Titina Masellis Bühnenbild baut ein Puppenheim und zieht die Zuschauer spontan hinein in die Inszenierung. Klaus Michael Grüber sucht einen stimmungsdichten und damit allgemein verständlichen Zugang zum modernen Musiktheater des frühen 20. Jahrhunderts. Mit "El Retablo del Maese Pedro” und dem "Renard” beziehen Manuel de Falla und Igor Strawinsky Distanz zum Wagner- und Verdi-Musiktheater. Sie inszenieren Puppenspiele auf der Bühne und Pantomime mit unsichtbaren Sängern. Sie verzichten auf die klassischen, pathetischen Opernstoffe und greifen zu Don Quichotte und Reineke Fuchs. Sie zielen auf dramatische Fragmente und auf eine Vielzahl von ulkigen, ironischen, grotesken, volkstümlichen und historisierenden Aspekten. Grübers Regie packt diese Stücke in schwarze Nostalgie. Sie rücken in die Ferne, verlieren ihre provokante Vorstadt-Theatralik, werden fremdartig und obskur, Spiele von gestern. Aber so dicht und stimmungsvoll die schwermütigen Träume dieser Inszenierung wirken, so blass sind die Erinnerungen an die Stücke selber. Der Regisseur stülpt ein theatralisch wirkungsvolles Konzept über die Werke und blendet deren Facetten aus. Im "Renard" fallen die vorzüglich gesungene Handlung und die hervorragende, bewegliche und aussagestarke Pantomime (Choreographie: Michel Kelemenis) auseinander. Die Figur des schreienden Knaben im "Retablo" besetzt Grüber mit der Sopranistin Béatrice Petitet-Kircher. Die spiegelt nichts vom Jahrmarkt-Charakter der Rolle. Die grotesken Züge des Don Quijote (Ronan Nédélec) gehen in sonorem Belcanto unter. Dimitri Voropaevs sängerisch passabler Maeso Pedro bleibt ohne Charakteristik. Und im Graben dehnen Mikko Franck und die Musiker des "Orchestre National de Belgique" die neobarocken Elemente de Fallas zu betulicher Feierlichkeit und ebnen die rhythmischen Spitzen des "Renard" ein. Das hat die Statuarik szenischer Kantaten. Die dreimal sieben Gedichte von Schönbergs "Pierrot lunaire" als Visionen einer Kranken im vergitterten Jugendstil-Sanatorium zu inszenieren, greift sicherlich Wichtiges im Werk auf (Bühnenbild: Gilles Aillaud). Der differenzierten Musik wurde diese Szenerie aber genauso wenig gerecht wie das Instrumentalensemble. Mikko Franck dirigierte Schönberg ziemlich geradeaus, ein wenig zu rasch, ohne Interesse an den Details und der reichen Polyphonie. Wäre da nicht Anja Silja! Sprechgesang, der wirklich singt und doch spricht - fern aller akademischen Blässe, mit dramatischer Energie, präzise und artikulationsstark. Und dazu unaufdringliche, aussagestarke Gestik. Am Nachthimmel dieser Produktion war sie der leuchtende Stern. Letzte Vorstellung: 2. Mai. Karten (00352) 4708951

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