Ein Besuch im Theatermuseum

TRIER. Mit Carl Zellers Operette "Der Vogelhändler" setzt das Trierer Theater die klassische Operette auf den Spielplan. Die Produktion, die am Samstag Premiere hatte, geht in jeder Hinsicht auf Nummer Sicher.

Die Operette ist schwer im Kommen. Landauf, landab setzen große Häuser die jahrelang verfemte Gattung wieder aufs Programm, unternehmen den Versuch, dieses populäre Genre fürs 21. Jahrhundert zu retten. Profilierte Regisseure untersuchen das vermeintlich leichte Singspiel ernsthaft auf tragfähige Inhalte oder treiben bunte Persiflagen mit der Spießigkeit von Texten und Figuren - und kümmern sich so um die Ehrenrettung einer "unerhörten Kunst", wie es der Autor Volker Klotz formuliert. Keine Angst: Theaterbesucher, die es verabscheuen, mit all zu viel Neuem konfrontiert zu werden, brauchen ihre Karte nicht abzubestellen: Der Trierer "Vogelhändler" ist nicht einmal ansatzweise von einer zeitgemäßen Operetten-Sichtweise angekränkelt. Anders formuliert: Jörg Fallheiers biedere Inszenierung könnte eins zu eins aus den fünfziger Jahren übernommen worden sein. Da schwenken die Mädels noch züchtig die Röcke und schmachten den Tenor an, da sind die Tiroler fesch, und die Hofgesellschaft ist versnobt, und wenn es lustig werden soll, verrutscht jemandem das Toupet. Nun muss man nicht zwanghaft in flachen Gewässern nach Tiefsinn graben, obwohl das Programmheft zu Recht (aber völlig folgenlos) anmerkt, dass "die Themen des Stückes um Korruption, Machtmissbrauch, Duckmäusertum, Lügen und Intrigen kreisen". Aber ein bisschen Ironie, ein leichtes Augenzwinkern, ein Schuss Überdrehtheit hätte schon sein dürfen. Fallheier spielt nicht mit den Klischees, er zelebriert sie, und am Ende steht ein Produkt, gegenüber dem ein Heinz-Erhardt-Film wie ein Vorbote der 68er-Revolution erscheint. Nun haben aber auch Besuche im Museum durchaus ihren Reiz. Das hängt in Trier damit zusammen, dass Kapellmeister Franz Brochhagen die Patina, die auf der Bühne klebt, aus dem Orchestergraben konsequent heraushält. Da ist kein Schmus, keine triefige Walzerseligkeit, da wird geradeheraus, temporeich und ohne Mätzchen musiziert. Des Dirigenten zügige Linie führt freilich dann und wann zu Abstimmungsproblemen mit den Solisten und - vor allem in der Anfangsphase - dem Chor. Aber sie ermöglicht auch Glanzstücke wie ein von allem Schmalz befreites, anrührend-schlichtes Rosen-Duett. Insgesamt ist das Orchester allerdings zu laut, was dazu führt, dass die bei Operetten für das Handlungsverständnis durchaus wichtigen Gesangstexte weitgehend unverständlich bleiben. Bei den Dialogen haben der Regisseur und seine Solisten hervorragend gearbeitet: Zu keinem Zeitpunkt fällt unangenehm auf, dass hier vier verschiedene Nationalitäten auf der Bühne vertreten sind. Generell erweist sich das Ensemble als spielfreudig und gut aufgelegt. Am ehesten schafft es Evelyn Czesla, ihre Rolle gegen die übermächtigen Klischees zu akzentuieren. Ihre "Christel von der Post" ist eine selbstbewusste, widerspenstige junge Frau, die schon bei ihrer allseits bekannten Auftrittsarie durchblicken lässt, dass es nicht so weit her ist mit der Briefträger-Idylle. Thomas Kießlings souveräner Vogelhändler Adam hat seinen stärk-sten Moment mit dem meist totgespielten "Ahndl-Lied", bei dem er langsame Tempi förmlich erzwingt und so Melancholie und Tiefe aufscheinen lässt. Annette Johansson als Kürfürstin liefert ein ähnliches Glanzstück mit dem jeder billigen Sentimentalität entkleideten "Als geblüht der Kirschenbaum", einer fast liedhaften, bewegenden Klage um eine verlorene Liebe. In solchen Momenten kommt der Abend dann doch über ein Wunschkonzert in Kostümen hin-aus. Wie überhaupt im zweiten Akt auch ein paar komödiantische Highlights gelingen, etwa in der gut arrangierten "Gerüchte-Szene" mit einem vorzüglichen Nico Wouterse als intrigantem Baron Webs oder dem Comedy-reifen Professoren-Duo Peter Koppelmann und Andreas Scheel. Ein vielversprechendes Ensemble-Debüt feiert der schön timbrierte, auch darstellerisch gewandte Tenor Eric Rieger als Graf Stanislaus. Angelika Schmid zeichnet eine angemessen-zickige Hofdame Adelaide, Elvira Mende und Stefan Gärtner mei-stern kleine Solo-Rollen solide. Heidrun Schmelzer liefert dazu ein nettes Bühnenbild mit Rheintal-Ambiente nebst Kostümen zwischen Schwarzwaldmädel und volkstümlicher Hitparade. Auffällig: die gelungene, stimmungsvolle Lichtgestaltung. Das Publikum war's zufrieden. Am Ende gab es ausgiebigen, die Grenze zum Enthusiasmus freilich nicht überschreitenden Applaus. Die nächsten Aufführungen: 16., 26. und 28. November, Karten: 0651/718-1818.

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