Ein Feldherr unserer Tage

LUXEMBURG. Mit einem Knall und nicht mit einem Winseln beendet das Grand Théâtre in Luxemburg seine Spielzeit. Die Royal Shakespeare Company, eines der weltbesten Schauspielensembles, gastiert mit einer Inszenierung von Shakespeares "Julius Caesar".

Wenn's auch politisch mit der europäischen Idee nicht so recht klappen will, so wissen doch zumindest die Künstler, wie man grenzübergreifend sinnvoll kooperieren kann. Gleich vier Nationen mischen mit bei dieser Produktion von "Julius Caesar" - William Shakespeares berühmtester Tragödie aus der Reihe der Römerdramen und die einzige, in der der Titelheld vor der Pause stirbt. Die Inszenierung von Deborah Warner ist ein Gemeinschaftswerk von BITE/05 (die Abkürzung steht für "Barbican International Theatre Event"), dem Théâtre National de Chaillot in Paris, dem Teatro Español Madrid und dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg; mitgearbeitet haben auch Mitglieder der Young Vic Theatre Company. In den Hauptrollen sind Simon Russell Beale als Cassius, Paul Rhys (Brutus), Fiona Shaw (Portia), John Shrapnel (Julius Caesar) und Ralph Fiennes als Mark Anton zu sehen. Alle Genannten sind nicht nur auf der Bühne zu Ruhm und Ehren gekommen, sondern können auch auf eine mehr oder weniger stattliche Filmographie verweisen. Paul Rhys etwa hat in "Vincent und Theo" oder "Chaplin" mitgewirkt, Fiona Shaw war als Tante Petunia in den Harry-Potter-Filmen mit von der Partie, John Shrapnel trat im Mammutspektakel "Gladiator" auf. Am nachhaltigsten einen Namen als Leinwandstar hierzulande hat sich jedoch Ralph Fiennes gemacht in Filmen wie "Schindlers Liste" oder "Der englische Patient". "Julius Caesar" hatte im April dieses Jahres in London Premiere. Obwohl Regisseurin Deborah Warner neben den 30 Sprechrollen weitere hundert Statisten auf die Bühne bringt, legt sie Wert darauf, dass sich das Wesentliche des Stückes in kleinen Gesten und beiläufig Beobachtetem erschließt. In "Julius Caesar", so Warner, die als 28-Jährige erstmals an der Royal Shakespeare-Company inszeniert und inzwischen in Salzburg, Paris und an der Bayerischen Staatsoper gearbeitet hat, könne man praktisch alles hineininterpretieren. Und weil es in dem Drama vor allem um die Konsequenzen gewalttätiger Aktionen gehe, sei es in diesen Zeiten von besonderer Aktualität - wie die großen Stücke der Weltliteratur ohnehin stets nach der immerwährenden Wahrheit menschlicher Befindlichkeiten und Handlungsweisen suchten. "Wir werden zur Zeit so sehr mit Auswüchsen von Machtbestrebungen konfrontiert", so die Regisseurin, "dass wir uns angesichts bestimmter Politiker, die sich als Demokraten gerieren, immer mehr die Frage stellen müssen, ob die Demokratie überhaupt überleben kann." In Julius Caesar sieht sie diesen Typus beispielhaft angelegt: ein solcher Meister der Rhetorik, der den Lebenden schmeichle und die Toten ehre, doch zwischen den Zeilen blitze der Hang zur Gewalttätigkeit und seine Skrupellosigkeit durch. Ein Mann, wie geschaffen für die Macht - nicht nur im alten Rom. Warner braucht für Shakespeares (nach "Macbeth") kürzeste Tragödie immerhin dreieinhalb Stunden - und jede Minute davon sei spannungsgeladen, schrieben Kritiker. Der Online-Dienst der "Times" hob das Star-gespickte Ensemble hervor: Diese Inszenierung verfüge über die opulenteste Besetzung seit dem Film von Joseph L. Mankiewicz aus dem Jahre 1953 - und damals wirkten immerhin Marlon Brando, John Gielgud und James Mason mit (der Film wird übrigens am 7. Juli um 20.40 Uhr in Arte ausgestrahlt - eine gute Gelegenheit, um den Rezensenten beim Wort zu nehmen). "Julius Caesar" ist am 5., 6. und 7. Juli jeweils um 20 Uhr im Grand Théâtre zu sehen. Karten unter 00352/4708951, Internet: www.ticketlu@pt.lu

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