Ein General zu viel: Die Macht wird am Theater Trier neu verteilt

Trier · Karl Sibelius, der neue Generalintendant des Trierer Theaters, bekommt, was er will: Nach acht Jahren wird der Vertrag von Generalmusikdirektor Victor Puhl nicht verlängert. Denn künftig soll es einen Chefdirigenten geben, der Sibelius ebenso untergeordnet ist wie alle anderen Spartenleiter.

Ein General zu viel: Die Macht wird am Theater Trier neu verteilt
Foto: (g_kultur

Trier. Der eine wurde gerufen, um alles neu zu machen. Anders. Aufregender. Anspruchsvoller. Ein Wirbelwind. Der personifizierte Wandel.
Der andere möchte bleiben, um zu erhalten, was er geschaffen hat. Er ist das Vertraute. Bietet, was beliebt und bewährt ist. Ein Garant für Beständigkeit.
Unähnlicher könnten der Österreicher Karl Sibelius - designierter Generalintendant des Trierer Theaters - und der Franzose Victor Puhl - noch Generalmusikdirektor auf Augenhöhe des Intendanten - sich kaum sein. Man muss kein Psychologe sein, um vorherzusagen, dass diese Konstellation im künstlerischen Arbeitsalltag Spannungen bringt.
Doch darum geht es gar nicht. Auf den ersten Blick mag es trotz des höflichen Umgangstons zwar so wirken, als wäre da am Theater Trier ein Machtkampf zwischen Mann und Mann entbrannt. Doch hat das, was hinter den Kulissen passiert, nicht nur mit den handelnden Persönlichkeiten zu tun.
Am Ende der kommenden Spielzeit, Ende Juli 2016, läuft der Vertrag des Generalmusikdirektors Victor Puhl aus. "Ich würde mich freuen, weiter hier zu arbeiten", sagt der Dirigent, der seit 2008 in Trier ist. Die von ihm etablierten Sinfonie- und Weltmusikkonzerte kommen beim Publikum nachweislich gut an: Die Statistik zeigt, dass die Auslastung jeweils bei über 80 Prozent lag, was viele andere Produktionen der Spielzeit 2013/2014 nicht von sich behaupten können. "Der Trierer liebt, was er kennt", sagt Puhl. Neuem gegenüber sei das Publikum ausgesprochen reserviert.
Dennoch wird sein Vertrag auf Drängen von Karl Sibelius nicht verlängert. "Mit der Person hat das überhaupt nichts zu tun, sondern mit der Struktur", sagt der künftige Generalintendant, der erstmals in der Geschichte des Theaters nicht nur für die Kunst, sondern auch fürs Kapital zuständig sein wird: Im Rahmen einer noch zu gründenden Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) soll Sibelius auch die finanzielle Verantwortung tragen.
Alle anderen Sparten - Tanz, Schauspiel und Musiktheater - hat Sibelius unter sich. Die Leiter hat er selbst ausgesucht. Der Generalmusikdirektor (GMD) jedoch war schon da und ist ihm gleichgestellt - obwohl auch das 48 Mann starke Orchester zu 100 Prozent aus dem Budget bezahlt wird, das Sibelius bald verantwortet. "Wir bestehen darauf, dass der auslaufende Vertrag des GMD zum Anlass genommen wird, diese Stelle neu auszuschreiben", schrieben Sibelius und sein Team dem Trierer Kulturausschuss zu Beginn des Jahres - als sie noch fürchteten, die Politik könnte Puhls Vertrag im Alleingang verlängern.
Der Chefdirigent müsse den anderen Spartenleitern gleichgestellt sein. "Es ist nur logisch, dass das Orchester und in letzter Instanz der Intendant, der das Budget und die künstlerische Richtung verantwortet, in einem transparenten Prozess zu entscheiden haben, wer künftig diese Position innehaben soll", heißt es in dem Brief. Ein Brief, in dem das neue Leitungsteam dem Kulturausschuss gar androhte, andernfalls geschlossen zu demissionieren.
Nun bekommt Sibelius, was er will. Anfang August soll die neue Theater-AöR gegründet werden. Sobald es so weit ist, kann die Ausschreibung beginnen. Und gesucht wird diesmal kein Generalmusikdirektor, sondern ein Chefdirigent. Ein Leiter für die Sparte Musik, der dem neuen Intendanten ebenso untergeordnet ist, wie alle anderen Spartenleiter. Ein Fall von Erpressung?
"Nö", sagt Kulturdezernent Thomas Egger und lacht. Sibelius hätte die Verantwortlichen zwar lieber mal an einen Tisch holen sollen, um darüber zu sprechen. "Aber der Brief war schon sinnvoll. Er hat uns gezeigt, dass wir eine klare strukturelle Lösung brauchen", sagt Egger. Die soll es nun geben. Und Puhl? "Ich würde mich freuen, wenn er sich an dem Bewerbungsverfahren beteiligt", sagt der Kulturdezernent. Die Verdienste des GMD stünden für alle außer Frage. Er habe etwas Hervorragendes aufgebaut. Nach acht Jahren sei ein Wechsel allerdings auch nicht unüblich. "Ein neuer Intendant und eine ganz neue Mannschaft - da könnte es auch spannend sein, einen neuen Chefdirigenten zu haben", findet Egger.
Der Intendant und der Verwaltungsrat müssen mit der Wahl einverstanden sein. Doch im Wesentlichen soll das Orchester entscheiden, wer künftig den Takt angibt - und ob Neues kommt oder Bewährtes bleibt.Meinung

Bitter, aber konsequent
Generalmusikdirektor Victor Puhl hat in den vergangenen Jahren tolle Arbeit geleistet: Das Orchester schätzt ihn ebenso sehr wie das Trierer Publikum. Seine Konzertreihen gehören fest zum Veranstaltungskalender der Region, und die Zuschauerreihen sind bei den Konzerten überdurchschnittlich gut gefüllt. Dass sein Vertrag nun nicht einfach verlängert wird, ist bitter. Dennoch ist es richtig. Bei dieser Entscheidung geht es (so wenig Puhl und Sibelius auch zueinander passen) schließlich nicht um Personen (die morgen schon ganz andere sein können), sondern um Strukturen, die dauerhaft funktionsfähig sein müssen. Der künftige Generalintendant wird alles verantworten: Kunst und Finanzen in sämtlichen Theatersparten. Wer so viel Verantwortung tragen soll, muss auch überall mitreden dürfen. Warum sollte das Orchester, das doch auch Teil des Hauses ist, da eine Ausnahme bilden? Es ist sinnvoll, nun, da das möglich ist, klare Verhältnisse zu schaffen. Und diese schließen ja auch gar nicht aus, dass der alte Dirigent der neue ist.
.hammermann@volksfreund.deExtra

Die Gesellschaft der Freunde des Trierer Theaters verleiht erneut den Kulturpreis Theatermaske für herausragende Leistungen am Theater Trier. Alle Theaterbesucher können bis zum 5. Juli Vorschläge für eine Nominierung einreichen. Ob Schauspieler, Tänzer oder Musiker, Regisseur, Dirigent oder Bühnenbildner - wer das Publikum am meisten beeindruckte, kann nominiert werden. Eine der fünf Nominierungen wird vom Publikum gewählt, eine weitere von den Mitgliedern der Theatergesellschaft, über drei weitere entscheidet das Kuratorium. Vorschläge können per E-Mail eingereicht werden an theatergesellschaft-trier@agenturhaus.de oder per Post an die Theatergesellschaft Trier, c/o Agenturhaus, An der Meerkatz 3, 54290 Trier. Im Theater ist eine Postbox aufgestellt. Verliehen wird der Preis am 18. Juli beim Abschlussfest im Theater Trier. red

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