Ein Hauch von Berliner Nachtclub in Trier

Trier · "Das Leben ist ein Cabaret", singt die Figur Sally Bowles im Musical "Cabaret". Diesen und andere Hits gibt es ab Sonntag im Kasino am Kornmarkt in Trier zu hören. Das Theater Trier bringt mit dem Musical einen Klassiker auf die Bühne, der zu aktuell ist, um ihn modern zu inszenieren.

 Der Conferencier (Christopher Ryan) und Sally Bowles (Sidonie Smith). TV-Foto: Dirk Tenbrock

Der Conferencier (Christopher Ryan) und Sally Bowles (Sidonie Smith). TV-Foto: Dirk Tenbrock

Foto: (g_kultur

Trier. Eine kleine Bühne, kaum vom Boden erhoben, im Hintergrund weht sachte ein Glitzer-Vorhang, auf jedem der runden Tische im Publikumsbereich steht ein altes Telefon, mit dem Gäste einst die Bedienung für mehr Getränke rufen konnten. Er will das Nightclub-Feeling nach Trier bringen, sagt Regisseur Tobias Goldfarb. Der 42-Jährige steht morgens um 10 zwischen den Tischen und Stühlen im Casino am Kornmarkt, seine Frau Laura und ihre Zwillingsschwester Lisa haben die Köpfe bereits über dem Textbuch zusammengesteckt. Sie müssten jetzt nochmal am Text arbeiten, drängen sie. Das Regietrio hat wenige Tage vor der Premiere am Sonntag noch einiges zu tun, heute werden sie wohl wieder bis in die Nacht proben, um die Atmosphäre des KitKat-Clubs aus dem Musical-Klassiker "Cabaret" in das Casino in Trier zu bringen.Gespielt wird überall im Saal


"Die Location ist fantastisch", schwärmt Goldfarb. "Cabaret" in einem richtigen Nachtclub. Hier sei man ganz nah an der Grundidee des Stückes, deswegen streben sie in der Inszenierung auch eine noch stärkere Verschränkung von Publikum und Spielort an. Gespielt wird nicht nur auf der Bühne, sondern an der Bar, an den Tischen, überall im Saal. "In Trier hat man die Möglichkeit, hochkarätige Leute aus nächster Nähe zu erleben, das ist die große Stärke dieses Ortes", sagt Goldfarb. "Viele kennen das Stück und haben Erwartungen", weiß der Regisseur. Die Geschichte um den Schriftsteller Clifford Brad shaw, der 1938 in Berlin eine tragische Liebesgeschichte mit der Sängerin Sally Bowles eingeht, ist weltbekannt.
Es gebe viele interessante Inszenierungen, sagt Goldfarb, und nicht zuletzt der Film aus dem Jahr 1972, der Liza Minelli berühmt gemacht hat: "Aber natürlich werden wir einiges anders machen, was auch dem Raum geschuldet ist." Um sich auf die Inszenierung in Trier vorzubereiten, hat Goldfarb aber nicht den Film oder andere Inszenierungen studiert, sondern die beiden Romanvorlagen von Joe Masteroff: "Die Romane können Geheimnisse, Gefühle und Gedanken der Figuren offenbaren, die man so in den kurzen Musicaldialogen nicht mitbekommt." Mit dem Wissen aus den Büchern könne er die Figuren ganz anders entwerfen.
Und so wird aus dem Verhältnis zwischen den drei Hauptfiguren, der Sängerin Sally Bowles (Sidonie Smith), dem Schriftsteller Clifford Bradshaw (Norman Stehr) und dem Nazi Ernst Ludwig (Christian Beppo Peters), eine Dreiecksbeziehung: "Eigentlich wird in den Büchern auch eine homosexuelle Liebesgeschichte erzählt. Und wenn man das weiß, ist es auch klar, dass das im Musical anklingt."
Keine gute Geschichte ohne Liebesgeschichte, sagt Goldfarb. Das Fundament von "Cabaret" ist jedoch ein anderes: "Die Geschichte spielt im Jahr 1938 in einer Zeit des totalen Umbruchs, das gesellschaftliche Klima wird immer intoleranter, viele Leute radikalisieren sich, sogar die, die eigentlich nichts mit Politik am Hut hatten, laufen mit den Radikalisierten mit, um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen."Beklemmender Unterton


So sehr es in "Cabaret" um Spaß und Liebe gehe, so bedrohlich wäre der beklemmende Unterton, der gerade heute erneut eine erschreckende Aktualität bekomme. "Die Botschaft des Musicals ist, dass alles, was passiert, einen etwas angeht. Auch wenn man denkt, dass man unpolitisch ist und man eh nichts ausrichten kann. Aber politische Entwicklungen erstrecken sich irgendwann ins Private." Sally Bowles habe seiner Meinung nach eine sehr hilfreiche Einstellung: Sie sehe den Menschen erstmal nur als das, was er ist: ein Mensch. Unabhängig von seinem Pass, seiner Hautfarbe oder seiner Religion. Moderne Probleme sind aber kein Gründe, das Stück aus seiner historischen Zeit zu reißen: "Die aktuellen Bezüge dieses Stückes liegen auf der Hand, da muss man auf der Bühne nicht in Jeans und T-Shirt rumlaufen."

Die Premiere ist am Sonntag, 25. September, um 19.30 Uhr im Kasino am Kornmarkt Trier. Weitere Vorstellungen sind am 27. Und 29. September, am 5., 7., 9., 10.,12., 23., 25. und 30. Oktober, am 2., 3., 8., 15., 16., 23., 24., 29. und 30. November, jeweils um 19.30 Uhr.

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