Ein Horrortrip deutscher Offiziere

TRIER. Heute Abend zeigt die ARD die Fernsehproduktion "Stauffenberg", die das gescheiterte Attentat deutscher Offiziere auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 schildert.

Lange Zeit war der deutsche Widerstand gegen das Hitler-Regime ein Randthema der deutschen Geschichtsschreibung. Dass die Idee zum Hitler Attentat am 20. Juli 1944 aus dem konservativen Lager kam, aus Kreisen von einst noch auf den deutschen Kaiser eingeschworenen Generälen, führte stets zu Skepsis bei den Historikern. Zu wenig modern und demokratisch war ihnen das Ansinnen der Konservativen, denn einen Plan für eine Nachkriegsordnung auf demokratischer Basis hatte Attentäter Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg nicht in der Tasche.Detailliert geplanter Tyrannenmord

Das passte manchen Historikern der jungen Bundesrepublik nicht so recht ins Konzept. Der gescheiterte Anschlag Stauffenbergs auf Adolf Hitler war nicht nur der Versuch eines klassischen "Tyrannenmords", sondern auch ein bis ins kleinste Detail geplanter Staatsstreich, der vor allem eines zum Ziel hatte: den Krieg zu beenden. Das erste Programm würdigt heute mit der aufwändigen Fernsehproduktion "Stauffenberg" (20.15 Uhr) diesen mutigen Versuch beherzter Frauen und Männer. Der Film macht deutlich, dass Stauffenberg und seine Gefolgschaft kaum eine Atempause hatten, über neue Staatsformen nachzudenken. Sie wollten eine wild gewordene Kriegsmaschinerie stoppen und waren bereit, dafür mit ihrem Leben zu bezahlen. Dazu mussten sie sich beeilen, denn die Chancen, Hitler zu erwischen, waren selten und kündigten sich nicht lange vorher an. Regisseur Jo Baier besticht mit handwerklicher Kunst auf höchstemNiveau. Die Dramaturgie des Films ist jedoch gewöhnungsbedürftig. "Stauffenberg" beginnt mit der Hinrichtung der Attentäter und erzählt in einer Rückblende. Wie in einem Videoclip jagt eine Einstellung die nächste. In rascher Folge will Baier Stauffenbergs Motivation erklären. Eine weinende Polin an der Ostfront, deren ganzes Dorf in einem Akt der Barbarei von der Wehrmacht abgeschlachtet wurde. Ein junger Soldat, der in Tunesien in Stauffenbergs Armen stirbt. Und zuletzt Stauffenbergs eigene Kriegs-Verletzung - gewissermaßen Hitlers Handschrift auf seinem Leib. All dies bringt den Kessel zum Platzen. Stauffenberg (Sebastian Koch) resümiert: "Hitler muss weg." Das wirkt jedoch wenig überzeugend, die innere Gemütslage Stauffenbergs bleibt dem Zuschauer verschlossen, zu wenig wird erzählt. Die Verschwörergruppe des 20. Juli findet sich schnell. Der Drehbuchautor bleibt dem Zuschauer indes eine detaillierte Erklärung, wie Stauffenberg zum Umsturzplan kommt, schuldig. Eine vertane Chance, denn gerade die Entwicklung dieses Plans hätte Spannung aufbauen können. Ein Treffen der Mitverschwörer in abgedunkelten Räumen, die immer stärkere Entfremdung Stauffenbergs von seiner Familie - diese Momente werden in kurzen, aber eindringlichen Szenen gezeigt. Der Showdown in der Wolfsschanze wird zum Gipfeltreffen bekannter Schauspieler. Ein aalglatter Axel Milberg, der den General Friedrich Fromm spielt. Überragend: Ulrich Tukur als Oberst Henning von Tresckow. Der Kartentisch im Führerhauptquartier symbolisiert das Ende des deutschen Reiches. Unzählige Generäle stehen herum, schieben Truppen-Wimpel hin und her, sehen die Realität nicht, die einbrechende Ostfront, das zerstörte Berlin. Stauffenbergs Hitlergruß mit amputierter Hand wird zur Farce. Udo Schenk, unter anderem bekannt aus dem Tatort "Alibi für Ameli" (2000) spielt Adolf Hitler und übertrifft sich in dieser Szene selbst.Ein Blick, der unter die Haut geht

Es ist nur ein Blick des Führers in Stauffenbergs Gesicht, der alles sagt. Mit wenig Licht in Szene gesetzt, knapp belichtet, mit selektiver Schärfe auf irrsinnige Augen wird diese Szene zum Horrortrip, zum eigentlichen Höhepunkt der Produktion. Grandios ist die Ausstattung des Films. Von der restaurierten Junkers Ju 52, die die Verschwörer zur Wolfsschanze fliegt, bis zum originalgetreuen Siemens-W-29-Telefon überzeugt der Film mit fast "überrealistischem" Detailreichtum. Allerdings dokumentiert "Stauffenberg" zu sehr, erzählt hingegen zu wenig, um einen Spannungsbogen aufzubauen. Das ist geschichtswissenschaftlich korrekt und setzt den Helden des Widerstands vom 20. Juli ein unantastbares Denkmal. Regisseur Baier bleibt mit diesem Filmstil genauso kompromisslos wie Stauffenberg und seine Verschwörer bei der Durchführung ihres Plans.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort