Ein Leben zwischen Himmel und Erde

TRIER. Das sechste Eifel Literatur Festival begann erstmals in seiner Geschichte in Trier. Nur wenige Plätze blieben frei in der Europahalle, als Mario Adorf aus seiner Autobiographie las.

Der Mann ist einfach Klasse. Ein Charmebolzen, ein begnadeter Raconteur, ein schmunzelnder, nachdenklicher, nachdenklich machender Lebensberichter. Einer, der auch die letzten Reihen in seinen Bann zu ziehen weiß. Und dem das auch im Handumdrehen gelang, nachdem sich die Besucher in der Trierer Europahalle eine Dreiviertelstunde lang ausgiebiges Schulterklopfen (auch auf die eigene) anhören und ansehen mussten. Keine Frage: Den Kontakt zwischen der kulturell eher vernachlässigten Eifel und großen Literaten herzustellen, und das seit nunmehr (und mit wachsendem Erfolg) zehn Jahren, ist eine anerkennenswerte Lei-stung. Trotzdem hätten den Laudatoren ein bisschen mehr Pfiff, Witz, Humor und Selbstironie gut zu Gesicht gestanden, statt in raunendes Pathos und Staubsaugervertreter-Eloquenz zu verfallen. Mehr als einmal schrammten die 45 Minuten langen Eingangs-Suaden scharf an der Peinlichkeit vorbei. Was dem Sitznachbarn schließlich ein ergebenes "Was sind wir doch für geduldige Menschen" entlockte. Doch die Geduldsprobe wurde belohnt; der Weihrauch über den Köpfen des Auditoriums verflog innerhalb von Sekunden, als Mario Adorf am Lesetisch Platz nahm und aus seinen "Unordentlichen Erinnerungen", überschrieben "Himmel und Erde", las. Ach was, las: Der Mann spielte, parodierte, agierte, inszenierte Stücke aus seinem 73-jährigen Leben, und ein paar Mal hat er sogar gesungen. Mit der Stimme, die immer noch warm und üppig klingt, wird er die Mütter und vor allem deren Töchter als Teenager in Mayen wohl becirct haben; der Stadt, die dem Weltenbummler und -bürger nach eigenem Bekunden immer Heimat war und bleiben wird, obwohl er seit Jahren schon in Rom seinen festen Wohnsitz hat. Auf die Mayener Jahre legte Adorf denn auch den Schwerpunkt dieses Abends, las von Kriegs- und Nachkriegszeiten, von Hunger, Bomben und vom Schwarz-Schlachten, und manch ein Besucher aus Adorfs Generation nickte dazu bestätigend. Es ist auch dieser erste Teil der Biographie, der Adorf am überzeugendsten gelungen ist. Die späten Jahre dagegen geraten ihm mehr und mehr zur Sammlung von locker aneinander gereihten Episoden und Anekdoten; da wird der Lebensbericht sprung- und lückenhaft, bleibt blass, entwickelt kaum mehr die Sogkraft der ersten Kapitel. Doch was hat das schon zu sagen, wenn einer wie Adorf die Sätze rezitiert. An diesem Abend hat der Schauspieler über den Autor klar den Sieg davongetragen. Und die Menschen dankten es ihm mit anhaltendem Jubel. Nächster Termin: Lesung mit Jacques Berndorf und Arnold Thünker in der Creativ-Druckerei Gerolstein am Mittwoch, 23. Juni, 20 Uhr. Infos und Karten: Telefon 06551/4399; www.eifel-literaturfestival.de

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