"Ein Schlag ins Gesicht der Musiker"

MAINZ. Der Mainzer Kulturminister Jürgen Zöllner (SPD) will der Orchesterlandschaft ihren bisher größten Umbruch verordnen: Die Philharmonien in Mainz und Ludwigshafen sollen fusionieren, und das Staatsorchester Koblenz soll verkleinert werden. Insgesamt 60 Musiker-Stellen werden dabei abgebaut.

Der Protest war beeindruckend und unüberhörbar: Das Vorspiel von Wagners "Meistersinger" und die Titelmusik von "Star Wars" schmetterte das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Mainz, das trotz drückender Schwüle in voller Konzertkleidung vor dem Kulturministerium angetreten war, um seinen übergroßen Unmut über das geplante Ende gekonnt und lautstark zum Ausdruck zu bringen. Auch das Staatsorchester Koblenz schloss sich der musikalischen Demonstration an. "Kein Raubbau an der Kultur" forderten die Künstler unisono. Auf die Palme gebracht haben sie die am Montag offiziell präsentierten Pläne von Minister Zöllner, der durch eine einschneidende Reform eine qualitativ hochstehende "Neue Staatsphilharmonie" schaffen und durch Kürzungen in der Spitzenkultur ansonsten drohende Streichungen bei der allgemeinen Kultur verhindern will. Die Finanzierung der Theater und Orchester im Land ist laut Zöllner bis 2005 gesichert. Dann sei jedoch angesichts der Finanzmisere mit Einsparungen von zwei Millionen Euro jährlich zu rechnen. Mit Streichungen Kürzungen abwenden

Daher sollen die Streichungen bei den Orchestern ansonsten drohende Zuschuss-Kürzungen an die kommunalen Theater in Kaiserslautern, Trier und Koblenz oder für Kultursommer und Musikvereine abwenden. Zöllners Konzept sieht vor, das Orchester des Staatstheaters Mainz mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen zur "Neuen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz" mit insgesamt 130 bis 140 Musikern zusammenzulegen. Sie soll zwei Standorte haben, aber nur einen Intendanten und eine künstlerische Leitung. Rund 40 Stellen werden vermutlich ab dem Jahr 2006 wegfallen, wohl vorwiegend am Standort Mainz, wie vor Ort befürchtet wird. Den Musikern im öffentlichen Dienst sollen unter anderem Jobs an der Hochschule oder als Musiklehrer an den Schulen angeboten werden. Entstehen könne ein A-Orchester der Spitzenklasse, so Zöllners Sicht der Fusion. Dort werde nach Leistungsfähigkeit und nicht nach Zahl der Orchester gemessen. Die neue Staatsphilharmonie soll das Staatstheater abdecken, landesweit Konzerte geben und national sowie international gastieren. Folgen ergeben sich aus den geplanten Strukturen für das Staatsorchester Koblenz: Es soll um 20 auf 56 Musiker verkleinert werden, sich auf das Stadttheater Koblenz konzentrieren und sich mit barocken oder frühklassischen Werken profilieren. Offen ist, ob das Orchester in das Theater Koblenz eingegliedert wird oder weiter selbstständig bleibt. Schon immer A-Qualität zu B-Preisen geliefert

Dass sich die Situation der Orchesterlandschaft durch den Umbau verbessert, war nach Worten von Zöllners Berater Otmar Herren (Orchestermanager der Theater + Philharmonie Essen GmbH) Voraussetzung für die Mitarbeit der insgesamt drei Gutachter am Reformkonzept. Neben Herren haben Elmar Weinberg (Hauptgeschäftsführer und Orchesterintendant) und Gerd-Theo Umberg (Intendant Staatstheater Darmstadt) an Zöllners Plänen mitgestaltet. Der Mainzer Intendant Georges Delnon kritisierte denn auch, dass Zöllner sich vor allem Rat von außen geholt habe. Seine Generalmusikdirektorin Catherine Rückwardt wurde deutlicher: Sie sprach von einem Schlag ins Gesicht der Musiker, wenn die Fusion als Aufwertung des Orchesters verkauft werde. Das Philharmonische Orchester habe in den letzten Jahren bereits A-Qualität zu B-Preisen geliefert. Die Dirigentin sieht zudem erhebliche Probleme in der Organisation der neuen Staatsphilharmonie. Zöllner bezeichnete seine Konzeption nachdrücklich als Diskussionsgrundlage; bessere Vorschläge seien stets willkommen. Da für die nächsten zwei Jahre die Finanzierung gesichert ist, gebe es keinen kurzfristigen Entscheidungsdruck. Bis zum Jahresende will er gleichwohl möglichst die Weichen stellen.

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