Ein Mann hetzt durch die Sitz- reihen nach unten, springt über die Balustrade der oberen Ränge, wuchtet einen schweren Koffer Richtung Orchestergraben. Gehetzte Blicke, gesungene Hilferufe ­ das imaginäre Reptil, das ihn verfolgt, lässt nicht locker. Schließlich stürzt er ohnmächtig auf die Bühne.Thomas Kießling ist wieder da, wo er angefangen hat. Vor 20 Jahren stand er zuletzt auf diesen Brettern, als Jungspund im Extra-Chor. Die Oper war, natürlich, "Die Zauberflöte", die Stars hießen Cheryl Lichter und Daniel Lewis Williams.Mit Weihnachtsmärchen fing es an

Nun ist er selbst der Star. Dass er den Tamino spielt, hat das Trierer Theater eigens groß auf die Plakate gedruckt. Das hätte er sich kaum träumen lassen, damals, als er nach vielen Jahren als Kinder- und Kleindarsteller zum Musik- und Ballettstudium nach Frankfurt ging.Er wurde ein "seriöser" Opernsänger, zeitweise fest engagiert in Hagen, mit kleineren Gastspielen an größeren Häusern. Ob er es auf dieser Schiene je zum Star gebracht hätte? Die Frage stellt sich nicht. Denn dann kamen die "Jungen Tenöre", eines der erfolgreichsten Projekte im Grenzbereich zwischen Pop und Klassik. Und Thomas Kießling mittendrin.Anfangs fuhr er zweigleisig, "doch dann wurde das Projekt zu groß", erinnert er sich. 260 Vorstellungen pro Jahr, von Dubai bis Duisburg ­ da blieb keine Zeit mehr für die Oper. Irgendwann zwischendurch gab's eine Salome in Stuttgart, vor drei oder vier Jahren ­ so genau weiß der 40-Jährige das nicht mehr.Und jetzt das Comeback, ausgerechnet daheim, wo ihn jeder kennt. Und misstrauisch beäugt von den Gralshütern der strikten Trennung zwischen E- und U-Musik, die sich nicht vorstellen können, dass ein vermeintlicher Pop-Tenor plötzlich auch ohne Hall und Mikrofon bestehen kann.F