"Ein altes Pfaffennest": Als Dichterfürst Goethe an die Mosel reiste

Trier/Weimar/Bernkastel-Kues · Bekanntlich war Goethe ein ausgesprochen reiselustiger Mann. Das weiß man auch beim Mosel Musikfestival. "Goethes Reisen" heißt ein literarisch-musikalischer Abend, zu dem Dominique Horwitz und das Fauré Quartett im Rahmen des Festivals nach Kloster Machern kommen. Zu den unfreiwilligen Reisezielen des Dichters gehört die Mosel. In seinen Erinnerungen "Dichtung und Wahrheit" berichtet er darüber 30 Jahre später.

 Ob er damals auch so grimmig auf Trier geschaut hat, wie sein Denkmal in Rom? Dem Dichterkönig Goethe hat es nicht wirklich gefallen in der Römerstadt an der Mosel. Foto: iStock/Crisfotolux

Ob er damals auch so grimmig auf Trier geschaut hat, wie sein Denkmal in Rom? Dem Dichterkönig Goethe hat es nicht wirklich gefallen in der Römerstadt an der Mosel. Foto: iStock/Crisfotolux

Ihre Bürger hätten von jeher den Ruf freundlich und fröhlich zu sein, erinnert sich Dichterfürst Goethe in seinen Aufzeichnungen an Trier. Dort hatte er 1792 zweimal im Rahmen seiner "Kampagne in Frankreich" Station gemacht. Der Minister aus Weimar war unterwegs zu seinem Freund und Dienstherrn Herzog Karl-August von Sachsen-Weimar, der als preußischer Regimentschef gegen das jakobinische Frankreich und die Heere der Französischen Revolution kämpfte. Vom überlieferten Trierer Frohsinn merkte der Schöngeist aus Weimar allerdings wenig. Wofür er Verständnis hatte. "Wie sollte Fröhlichkeit sich in einem so widerwärtigen Zustand erhalten", stellte er resignierend fest angesichts der von Truppen und Kriegsflüchtlingen überfüllten Stadt.Reisen, nicht um anzukommen

Goethes Reiselust ist hinlänglich bekannt. Seine Italiensehnsucht prägte das Bild der Apenninen-Halbinsel hierzulande über Generationen. Sein berühmtes Wort "Man reist ja nicht, um anzukommen" wurde zum Motto unzähliger unermüdlicher Bildungsreisender.

"Goethes Reisen" heißt auch der Titel eines reizvollen, literarisch-musikalischen Konzertabends, den Dominique Horwitz gemeinsam mit dem Fauré Quartett im Kloster Machern gestaltet. Der in Weimar lebende Schauspieler hat sich intensiv mit Goethes Leben beschäftigt. Mit den Musikern des hochrenommierten Klavierquartetts hat Horwitz musikalisch ebenso reife wie geistreiche Partner. Da dürfte auch beim Publikum jede Menge Reiselust aufkommen, so wie weiland beim Dichterfürsten.

Nicht immer reiste Goethe allerdings aus reiner Lust. Auch zu seiner berühmten Moselreise machte er sich nicht freiwillig auf. Nur ungern war er dem Wunsch seines Landesherrn gefolgt, ihm in den Krieg zu folgen. "Auch ich in Arkadien", hatte er in Italien gejubelt. "Auch ich in der Champagne" schreibt er säuerlich über seine Beteiligung am Feldzug.Die Laune ist schlecht

Keine Frage: Die Laune ist schlecht, als er in Trier am 12. September aus der Kutsche steigt, da mögen der Fluss und die Moselberge noch so lieblich sein. Und dann ist plötzlich auch noch sein Diener verschwunden, der sich in ein paar Französinnen verguckt hat. "Ich bin in einem alten Pfaffennest in angenehmer Gegend", schreibt das missmutige Genie an seine Frau Christiane nach Hause. Wobei er als selbstverständlich voraussetzt, dass sie keine Ahnung hat, wo dieser miefige Ort liegt.

Die Stimmung steigt, als er einen Tag später auf dem Weg nach Frankreich das Meisterwerk der Igeler Säule erblickt. Kein Problem für den Schriftsteller, sich die armseligen Hütten drum herum einfach wegzudenken. Noch einmal wird dem Kriegsteilnehmer wider Willen das Grabmal mit seinen Szenen von Gewerbefleiß und friedlichem Familienleben zum Lichtblick in einer vom Krieg verstörten und zerstörten Welt. "Ein herrlicher Sonnenblick belebte soeben die Gegend, als mir das Monument von Igel, wie der Leuchtturm einem nächtlich Schiffenden, entgegen glänzte", jubelt Goethe am 22. Oktober auf der Heimreise mit seinem Herzog. Wieder macht er in Trier Station. Freundlicher als in seinem Brief liest sich diesmal sein Eindruck, auch wenn der Tenor derselbe bleibt.Respektabel, aber ruiniert

"Die Stadt an sich hat einen auffallenden Charakter, sie behauptet, mehr geistliche Gebäude zu besitzen als irgend eine andere von gleichem Umfang", notiert der Weimarer. Was nicht zu leugnen sei. "Sie ist innerhalb der Mauer von Kirchen, Kapellen, Klöstern, Konventen, Kollegien, Ritter- und Brüdergebäuden belastet, ja erdrückt; außerhalb von Abteien, Stiftern, Kartausen blockiert, ja belagert".

Das Amphitheater findet der Antikenliebhaber zwar respektabel, aber völlig ruiniert. Dagegen macht ihm der Gang über die Römerbrücke in Gesellschaft seines gebildeten jungen Stadtführers Johann Hugo Wyttenbach große Freude. Beim Ausblick über die Mosel und ihre Weinberge schlägt das Herz des Naturliebhabers endgültig höher.

Trotz schöner Landschaft, so recht will sich Wohlbehagen nicht einstellen. Goethes Moselfahrt bleibt eine Reise voller Hindernisse. Für die Rückreise von Trier nach Koblenz hat der Dichter ein Boot gemietet, das er mit einem preußischen Offizier teilt. Flott geht die Fahrt voran, der unverbesserliche Romantiker Goethe schwärmt von der Landschaft und dem tüchtigen Fährmeister, der geschickt die Felsen umschifft. Dann bricht die Nacht ein. Ein Sturm verwandelt den Fluss in ein wütendes Ungeheuer.Moselfahrt auf Matratzen

"Bald schwoll der Strom im Gegenwinde, bald wechselten abprallende Windstöße niederstürzend mit wütendem Sausen", erschreckt sich der Dichter noch 30 Jahre später, als er seine Erinnerungen an die Reise aufschreibt. Mit knapper Not und völlig durchnässt erreichten die Bootsfahrer Traben-Trarbach. Dort können sie sich im gastfreundlichen wie komfortablen Barockhaus des Kaufmanns Böcking, dem heutigen Mittelmosel Museum, trocknen und ausruhen. Für die Weiterfahrt am nächsten Tag nach Koblenz lässt sich der empfindliche Moselreisende das Boot vorsorglich mit Matratzen auslegen.

Das Konzert "Goethes Reisen" mit dem Schauspieler Dominique Horwitz und dem Fauré Quartett findet am Sonntag, 21. August, im Kloster Machern um 17 Uhr statt. Gespielt werden Werke von Mendelssohn, einem engen Freund von Goethe. Horwitz liest aus Texten, die die Freundschaft zwischen den beiden Ausnahmekünstlern beleuchten.

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