Ein klingendes Psychogramm

BERLIN. (mö) Mit der Choroper "Angst" hat der in Trier geborene Christian Jost sein drittes Musiktheaterstück geschrieben. Die Uraufführung in Berlin wurde ein bemerkenswerter Erfolg.

Zwei Bergsteiger geraten in Not. Der eine rutscht ab, hängt am Seil, und es sieht so aus, als würden beide in den tödlichen Abgrund stürzen. Da verletzt der andere alle Regeln der Bergsteiger-Ethik, kappt das Tau und lässt den Kameraden in den Tod fallen, um sein eigenes Leben zu retten. Diese Geschichte, die vor einiger Zeit im "Spiegel" stand, war Anstoß für die Oper "Angst", die Christian Jost im Auftrag des Berliner Rundfunkchors und des Senders Deutschlandradio Kultur geschrieben hat, und die kürzlich mit bemerkenswertem Erfolg in den Berliner Sophiensälen uraufgeführt wurde. Jost, 1963 in Trier geboren und einer der führenden Komponisten seiner Generation in Deutschland, hat über diese Geschichte keine "Bergsteigeroper" geschrieben, sondern ein vielschichtiges Psychogramm von zwei Menschen in einer Extremsituation. Menschen in einer Extremsituation

Der Komponist dazu: "Ich kam nach einigen Überlegungen zu dem Punkt, dass sich in einer Stresssituation jeder Mensch auf ähnliche Weise in einer Gedankenvielfalt bewegt. Für mich war das ein Ansatz, diese Vielfalt der Stimmen innerhalb eines Körpers zum Klingen, zum Tragen, zum Singen zu bringen." Darum steht der Chor im Mittelpunkt, Träger der musikalisch dramatischen Handlung auf Texte von Friedrich Hölderlin und Christian Jost. Die Resonanz auf die Uraufführung war bemerkenswert. Alle vier Vorstellungen waren ausverkauft, berichtet der Komponist. Und die "Süddeutsche Zeitung" schrieb: "Der 43-Jährige zergliedert mit naturwissenschaftlicher Präzision, extrahiert solistische Stimmen wie einzelne Nervenstränge, setzt Stimmgruppen wie Hormonschübe ein, fördert die Texte zutage, die unter dem Druck der Angst aus den Hirnkammern schießen. Ein Plastinat der Angst, in dem die verschiedenen Bestandteile wie Panik, Vertrauen und Sehnsucht je ihre eigenen Darstellungsmaterialien zugewiesen bekommen." Christian Jost hat in Köln und San Francisco studiert und lebt in Berlin. Er hat bisher drei Opern, ein Oratorium, fünf Solokonzerte, neun Orchesterwerke und zudem Vokal- und Kammermusik geschrieben. Im Jahr 2003 erhielt er den renommierten Ernst-von-Siemens-Förderpreis. Ende Januar 2006 wurde seine "Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Mozarts 13097. Tag" in Winterthur uraufgeführt. Das Werk ist eine Reverenz an Mozarts "Sinfonia concertante" KV 364."

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