Ein schillernder Vogel mit Diamant-Stimme

TRIER. Am Tag als der Regen kam: Ute Lemper brillierte trotz Sturm und Unwetter in den Trierer Kaiserthermen. Das Konzert präsentierte der Trierische Volksfreund .

 Sexy, synthetisch und brillant: Ute Lemper in Trier.Foto: Willi Speicher

Sexy, synthetisch und brillant: Ute Lemper in Trier.Foto: Willi Speicher

Sie hat eine echte High-Tech-Stimme. Und wenn sie in kühnem Schwung die Hüfte dreht, dann werden die Herren im Publikum zu heimlichen Rennfahrern, die blind die Kurven ansteuern. Wettergott Petrus scheint auf sowas nicht abzufahren.Zumindest hatte er am Montagabend mal wieder überhaupt keine Ahnung von life-style, sonst hätte er gewusst, dass Regencapes und Pfützen nicht zu Ute Lemper passen. Ganz ungehobelt ließ er es donnern und blitzen als die blonde Diva sich anschickte, in den Trierer Kaiserthemen aufzutreten. Doch was soll‘s: Die Lemper ist hart im Nehmen und lebenspraktisch dazu. "You can do it" mag sie - wie in ihrer Wahlheimat Amerika üblich - gedacht haben. Die Schau wurde kurzerhand um eine halbe Stunde verschoben. Den meisten Besuchern war das recht. Sie packten ihre Regenschirme aus, hüllten sich in die angebotenen Capes und nahmen nach dem Motto "Sekt mit Regenwasser ist ohnehin gesünder" schon mal am Getränkestand die Pause vorweg.Lieder-Reise durch die Regenzeiten

Schließlich - als Blitz und Donner Richtung Mosel abgezogen und die Stühle einigermaßen trockengewischt waren, ging‘s los. "Liebstes Publikum" begrüßte die Sängerin die verbliebene Fan-Gemeinde, und weil‘s so gut passte, machte sie schnell aus ihrer 100-jährigen Lieder-Zeitreise eine Liederreise durch die Regenzeiten. Was ein klein bisschen bemüht klang, weil Regen und Zigeuner eigentlich genauso wenig zusammen passen wie Regen und Piazzolla. Ihre berühmten Netzstrümpfe und Pumps, in denen sie Beine wie Himmelsleitern hat, hatte Lemper diesmal mit Schnürstiefeln vertauscht. Über denen wies ein hinreißend schräger Rocksaum geradewegs gen Himmel.Mit nach Trier gebracht hatte der Star zur Begleitung seine New Yorker "Familie" - will heißen seine Band mit Ull Geissendoerfer am Klavier, Mark Lambert am Bass und Todd Turkisher am Schlagzeug. Viel war an diesem Abend die Rede von Lust und käuflicher Liebe, von Liebes- und Weltenschmerz und jeder Menge unerfüllter Sehnsucht. So ist das nun mal mit dem Leben wie‘s ist und wie‘s sein könnte, ließ die Stimme des deutschen Re-Imports aus USA wissen. Doch sei‘s drum.Ohne Zweifel: Ute Lemper hat eine Riesenstimme, elastisch und ausdrucksstark dabei hart und hell wie polierter Stahl. Vielen ihrer Songs tut das gut. Piazzolla hält die blonde Stimme von unangemessener Folklore frei, ebenso wie jenes jiddische Lied, das sie sang und bei dem sie ausnahmsweise anrührend klang. Da hatte ihre Stimme jene gläserne Ferne, die aus der uneingestandenen Sehnsucht kommt. Ansonsten ist die Lemper am besten, wenn sie englisch singt und noch besser in ihren amerikanischen Songs. Da ist sie Broadway und Glamour, brillant in Trillern und Ekstase, ein schillernder Vogel mit Diamantstimme. Anders ist das bei ihren deutschen Liedern: Auch da fehlt es ihr niemals an Schliff und Perfektion und doch bleiben ihre Lili Marleen und ihre Johnnys ein wenig steril und schon gar Jacques Brel. Sein "Amsterdam" klingt aus Lempers Mund wie eine Designer-Version.Keine Frage: Lemper hält, was sie verspricht. Der Zuschauer kommt auf seine Kosten. Die Performance ist perfekt, einschließlich Leidenschaft. Etwas synthetisch klingt dieses Menschsein zuweilen. Aber Seele war ohnehin nicht im Preis inbegriffen.

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