Eine Form für Träume

Die Trierer Antikenfestspiele präsentieren sich in diesem Jahr in neuem Gewand. Statt auf einer begrenzten Bühne wird im gesamten Innenraum des Amphitheaters gespielt. Eine Riesen-Herausforderung für Künstler, Techniker und Handwerker. Wir begleiten in den nächsten Wochen die Vorbereitungsarbeiten für das große Raum-Erlebnis.

Trier/Remerschen. Es ist schon Jahre her, dass jemand Francois Valentiny die Kassette mit der Aufnahme von "Samson und Dalila" geschenkt hat. Seither ist das Monumental-Werk von Saint-Saens eine seiner Lieblingsopern. Aber dass der Luxemburger Architekt einmal das Bühnenbild für dieses Spektakel gestalten würde - und gleich noch das für den Schauspiel-Klassiker "Ödipus" in einem Aufwasch - das konnte er damals nicht einmal ahnen.Nun sitzt er in seinem Glaspalast in Remerschen, den er bescheiden Büro nennt, inmitten von Modellen, Skizzenbüchern, Materialproben und bastelt an einem neuen Raum-Erlebnis. Denn am 15. Juni sitzt das Publikum erstmals wie in der Antike auf den Rängen, und gespielt wird in der Arena. Valentinys Mischung aus Charme und Hartnäckigkeit hat das längst ad acta gelegte neue Konzept wieder zum Leben erweckt. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt an eine andere Planung gedacht", sagt er grinsend. "Es gibt keine Bühne im Amphitheater, es gibt nur Landschaft".Mit dieser Landschaft hat er allerdings jetzt auch seine Mühe. So viel Fläche will gestaltet sein, und das mit durchaus begrenzten Mitteln. "Klein-klein" geht da wenig. Aber das ist ohnehin nicht die Sache des 53-Jährigen. Es darf schon mal ein bisschen mehr sein. Es darf ruhig ein bisschen mehr sein

Zum Beispiel bei den riesigen, in der Form an Zipfel erinnernden Tempel-Säulen. 16 Meter hoch sollen sie in den Himmel über dem Amphitheater ragen - und dabei wind- und regenfest sein. Zeichnen kann man das leicht, aber umsetzen? Das wird noch eine Menge Termine bei der Technik des Trierer Theaters geben, die Valentinys Träumen eine Form geben muss - die nicht nur heftigen Böen, sondern auch deutschen Versicherungsvorschriften standhält.Nicht alle Träume lassen sich in die Realität retten. Die komplette Bodenfläche inklusive der Wiese sollte mit Stoff überspannt werden - gerade kommt die Absage. Zu aufwändig, nicht zu bezahlen. Schade eigentlich. Die Mammut-Verkleidung hätte gut zu Valentinys abstrakten Kostümen gepasst. Historisierende Kleidung auf der Bühne mag er ebenso wenig wie Modernismen. "Ich gehe nicht ins Theater, um Mozart im Straßenanzug zu sehen", sagt der Mann, der das Salzburger Mozart-Festspielhaus umgebaut hat. Er setzt auf "archaische Formen", will heißen: atmosphärisch dicht und für das Publikum deutlich erkennbar, So erhalten seine Priester 40 Zentimeter hohe, inka-mäßige Kopfbedeckungen - ein harter Job, erst für die Masken-Abteilung, die sie herstellen muss, später dann für die Akteure, die damit in der Bühnenlandschaft umherlaufen sollen.Seit gut einem Jahr brütet der Ausstatter über seinem Projekt. In den Skizzenbüchern lässt sich verfolgen, wie Stück für Stück aus Ideen und Illusionen eine handhabbare Geschäfts-Grundlage entsteht. Aber ein bisschen Verrücktheit will er sich doch bewahren. Gerade denkt er darüber nach, wie man für "Ödipus" eine Wasserfläche im Amphitheater anlegen kann. Man gönnt sich ja sonst nichts.Nächste Woche: Ein Blick in die Theaterwerkstätten, in denen heftig an der Umsetzung der Pläne gearbeitet wird.

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