Eine Insel mit zwei Bergen

TRIER. Nach den mit viel Erfolg "selbst gemachten" Kinderstücken der letzten Jahre bietet das Trierer Schauspiel in diesem Jahr mit "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" wieder einen "Klassiker" als Produktion für die kleinsten Theaterfans.

Nichts ist vergleichbar mit der Spannung, die 600 schnatternde Kinderstimmen in einem Theater erzeugen, bevor der Vorhang aufgeht. Nix von der "Mal sehen, was sie heute bieten"-Routine abgeklärter Premieren-Abonnenten: Da heißt es Daumen rauf oder runter, Aufmerksamkeit oder Desinteresse, gebannt am Sitz kleben oder laufend pinkeln gehen. Bei Michael Endes "Jim Knopf" in der Musical-Version von Konstantin Wecker und Christian Berg bleibt der Geräusch-Pegel im Saal erträglich und die Türen zu. Und das, obwohl Regisseurin Gabriele Wiesmüller zurückhaltend inszeniert, unspektakulär und mit weit weniger Publikums-Animation als üblich. Ein Erwachsener könnte das als recht betulich empfinden, aber die Kinder lassen sich auch ohne große Show faszinieren von der Geschichte um den Jungen Jim und seinen Freund, den Lokomotivführer, die ihr Inselchen Lummerland verlassen, über Wüsten und Meere ziehen und eine chinesische Prinzessin aus der Hand eines bösen Drachens befreien. All zu viel "Musical" ist da nicht dabei, ein paar hübsche Lieder hat Konstantin Wecker komponiert. Das Bühnenbild von Bodo Demelius arbeitet mit einfachen Mitteln, Tücher und Prospekte ersetzen aufwändige Bauten. Dafür gibt es die Lokomotive Emma als echtes Bühnenfahrzeug, von Lukas alias Manfred Paul Hänig mit sichtlichem Genuss durch die Kulissen gesteuert. Die Kinder brauchen keine großen Interpretationen, sie machen sich ihren eigenen Reim. "Du Weichei" ruft einer dem stets heulenden Drachen Nepomuk hinterher, die Kommentare zum bösen Drachen "Frau Mahlzahn" sprengen den Rahmen des Druckreifen. Als der Chinesenjunge Ping Pong (schönes Debüt: Vanessa Daun vom Theater-Jugendclub) die Segnungen einheimischer Speisen wie "gezuckerte Regenwürmer" preist, tönt ein kraftvolles "Gleich muss ich kotzen" vom Platz hinter dem Berichterstatter. Zum Glück bleibt es bei der Ankündigung. Der Beifall am Ende kommt etwas zögerlich, die Inszenierung ist eben nicht auf das Hochkochen von Emotionen ausgerichtet. Aber die Spontanbefragung unter einem guten Dutzend von Repräsentanten der Zielgruppe ergibt rundum gute Kritiken. "Die Emma war das Tollste", sagt Willi (6), und fachsimpelt mit dem gleichaltrigen Tim über Elektromotoren, die ein Fahrzeug bewegen können, ohne dass die Räder sich drehen.Kinder staunen über Doppelrollen

"Das Gesungene" hat Livia (7) am besten gefallen, während Yannik (8) über die Wandlungsfähigkeit der Schauspieler staunt. "Der König war ja gleichzeitig der Türwächter, und der Herr Ärmel war der Bonze", sagt er fasziniert. Hans-Peter Leu und Peter Singer dürfen es als Pluspunkt verbuchen, ebenso wie Verena Rhyn und Christoph Bangerter in ihren Doppelrollen. Vanessa (8) ist mit ihrer Klasse aus Dreis angereist, wie jedes Jahr. "Der gestiefelte Kater beim letzten Mal war aber auch geil", sagt sie. Die Geschichte von Jim Knopf kennen sie alle von daheim - "sogar Oma Martha kannte die", wundert sich Phillipp (7). Dafür wundert er sich im Gegensatz zu anderen nicht über den Trick mit dem Scheinriesen Tur Tur: "Erst hatte er Stelzen an und dann nicht mehr". Das schönste Kompliment erntet Alexander Ourth in der Titelrolle: "Wenn ich noch mal auf die Welt komme", sagt Kevin (6) aus Trier, "dann werde ich Jim Knopf".

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