Eine echte Opern-Entdeckung

Eine zeitgenössische Oper, die auch für ungeübte Zeitgenossen keine Qual ist, eine gelungene Begegnung von Kulturen, eine Inszenierung, die verständlich, aber nicht antiquiert daherkommt: Das Staatstheater Saarbrücken schafft zum Saisonstart, scheinbar Unvereinbares unter einen Hut zu bringen.

Saarbrücken. (DiL) Der chinesische Komponist Tan Dun gilt als einer der wichtigsten Grenzgänger - nicht nur zwischen östlicher und westlicher Musik-Kultur, sondern auch zwischen populärem Film-Soundtrack (Oscar für "Tiger and Dragon") und moderner Klassik.

Einst in China verfemt, lebt er seit langem in New York, schrieb aber für seine Heimat die Hymne zu den Siegerehrungen bei den Olympischen Spielen. Seine Historien-Oper "Der erste Kaiser", die in der Zeit der Staatsgründung Chinas spielt, wurde 2006 an der Met mit Placido Domingo in der Titelrolle uraufgeführt. Der agile Operndirektor Berthold Schneider schaffte das Kunststück, die europäische Premiere an die Saar zu holen - und landete in jeder Hinsicht einen Coup.

"Der erste Kaiser" vereinigt Elemente der klassischen Peking-Oper mit opulenten Hollywood-Cinémascope-Klängen, süffigen Opernmelodien und Ausdrucksformen der zeitgenössischen Moderne. Aber bei Tan Dun wird die Mixtur nicht, wie so oft, zum Patchwork, es entsteht ein Werk aus einem Guss.

"Held" ist Kaiser Chin, Despot und Staatsgründer, ein Herrscher Marke Alexander, Konstantin oder Napoleon. Machtbewusst, politisch skrupellos, erfolgreich. Seinem neuen China fehlt nur eine Hymne, und die soll sein Jugendfreund Jian-Li komponieren, der sich aber längst von ihm abgewandt hat. Die Staatsgeschäfte vermischen sich mit einer Liebesgeschichte zwischen Chins Tochter Yue-yang und dem Komponisten, die tragisch endet. Chin bekommt sein Reich, aber zu einem hohen menschlichen Preis.

Starke Personenregie statt opulenter Bilder



Regisseur und Ausstatter Dennis Krief setzt, anders als man es erwarten könnte, nicht auf Opulenz und pralle Bilderwelten. Eine präzise Personenregie, dezenter Symbolismus und vor allem die überaus eindrucksvollen, mit der Musik amalgamierten Bewegungsabläufe von Chor und Statisterie (Choreographie: Helge Letonja) sorgen für eine gelungene Balance zwischen privater Tragödie und Staats-Drama.

Constantin Trinks' Dirigat vereinigt scheinbar mühelos die unterschiedlichen Stile, führt Instrumente wie die zither-ähnliche "Zheng" und die Tan-Dun-typische "Wasser-Perkussion" mit dem klassischen Sinfonie-Orchester zusammen. Mal lässt sie den Zuschauer in melodischen Klangteppichen schwelgen, mal reißt sie ihn mit scharf gezackter Rhythmik aus allen Träumen. Kurz: Ein Erlebnis.

Dazu passt eine bis in die kleinen Rollen hinein starke Besetzung. Die für einen Tenor sehr tief angelegte Titelpartie zwingt Jevgenij Taruntsov, seine vielfältigen stimmlichen Möglichkeiten bis zum Rand auszuloten - es gelingt. Alexandra Lubchansky liefert eine stimmschöne Yue-yang, Dong Won Kim lässt als Jian-Li weder lyrischen Schmelz noch Durchschlagskraft vermissen. Eine außergewöhnliche gesangliche Erfahrung beschert das Gastspiel des Peking-Oper-Sängers Xiquan Jin, der als Zeremonienmeister in die Handlung einführt.

Frenetischer Beifall des Premieren-Publikums. Unterm Strich eine Produktion, die den Weg von Trier nach Saarbrücken allemal lohnt.

Termine: 16., 25. September, 4., 11., 31. Oktober, 16., 26. November. Info: 0681/3092486.

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