Einfach Ros-artig

LUXEMBURG. (AF) Ein lauer Sommerabend, ein wundervolles Ambiente im Innenhof der früheren Benediktinerabtei Neumünster – und dazu eine grandiose Band: Der fast zweistündige Auftritt der isländischen Stars Sigur Ros in Luxemburg im Rahmen des Omni-Festivals wurde zum echten Erlebnis.

Jon Thor Birgisson streicht mit dem Cellobogen über die E-Gitarre, entlockt ihr mal kratzende, mal sphärische Klänge. Er singt dazu in einer von ihm erfundenen Sprache, die er - übersetzt - "Hoffnungsländisch" nennt. Worüber er singt, während er die Augen zusammenkneift auf der Tonleiter so langsam im zwölften Stock angekommen sein muss? Das weiß Birgisson nach eigenem Bekunden selbst nicht so genau. Es spielt auch keine Rolle. Denn darum geht es: um Musik im Fluss, um den Soundtrack aus Klavier, Glockenspiel, Tuba, Cello, Posaune und vielleicht einem Dutzend weiterer Instrumente. Meist langsam, fast immer mit einer Extra-Dosis Melancholie. Und bevor der eigene Film im Kopf erste Längen bekommen kann, funkeln die Überraschungsmomente. So donnert ein Humpta-Humpta-Blasorchester in eine ruhige Glockenspiel-Einlage - und zwar aus einer anderen Richtung: Während die Band auf der Bühne steht, spielt das Bläserensemble im Innenhof der Abtei von einer Empore am Seiteneingang. Die Abtei Neumünster im Luxemburger Stadtteil Grund macht dabei den Trierer Kaiserthermen als idyllischstes Open-Air-Gelände Konkurrenz. Im Schatten der Abtei fließt die Alzette, dahinter erheben sich schroffe Felsen. Sicher nicht so majestätisch wie in Island, trotzdem imposant. Wenn Sigur Ros ihren Musikstil selbst als Slo-Mo-Rock bezeichnen, als Zeitlupen-Rock, dann ist das nur der kleinste gemeinsame Nenner. Statt geradem Rock gibt es Klang-Landschaften. Sigur Ros setzen weder auf besonders eingängige Melodien, noch sind sie in irgendeiner Weise mitsing- oder gar mitklatsch-tauglich. Die Stücke sind lang, manchmal verschroben, oft mit kleinen Widerhaken. Ihre Stücke laufen nicht im Radio, nicht auf Tanzflächen. Spätestens bei Live-Konzerten wird klar, warum die "Sieger-Rosen" trotzdem eine riesige Fan-Schar haben. Weitere Konzerte im Rahmen des Omni-Festivals in der Abtei Neumünster: Samstag, 15. Juli, Blues'n Jazz Rallye (u.a. Largo, Jazz-Geiger Didier Lockwood), Sonntag, 16. Juli: Madredeus. Donnerstag, 20. Juli: Coal Jazz, Samstag, 22. Juli: Eugenio Bennato.

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