Sibelius zieht Premierenbilanz: "Einfach vertrauen und die Dinge laufen lassen"

Trier · Die Premierenbilanz des Trierer Theaters kann sich durchweg sehen lassen. Für das neue Leitungsteam liegen die Schwierigkeiten woanders - vor allem in immer noch umständlicher und zeitraubender Bürokratie. Bei Intendant Sibelius bleibt zudem der Eindruck, dass seine Bemühungen um die Erneuerung des Hauses nicht gewürdigt werden.

 Bis jetzt ist Karl Sibelius dem Motto für seine erste Trierer Spielzeit treu geblieben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Bis jetzt ist Karl Sibelius dem Motto für seine erste Trierer Spielzeit treu geblieben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Die Stimmung im schlichten Büroraum des Trierer Theaters ist leicht getrübt. Kein Wunder. Die aktuelle Entwicklung in der Generalmusikdirektor-Frage war zweifellos nicht im Sinne von Intendant Karl Sibelius. Auch dann nicht, wenn Victor Puhl immer wieder seine Bereitschaft zur Kooperation betont.

Aber es sind nicht so sehr die großen politischen Entscheidungen, die den Intendanten nerven, sondern die kleinen Widrigkeiten - ein (aus seiner Sicht) unglückseliger Mix aus kritischen bis empörten Publikumsstimmen, Kontroversen mit theaternahen Einrichtungen wie den "Freunden des Theaters", verwaltungstechnischen Hürden und problematischer Resonanz in manchen Medien. Da benutzt er Begriffe wie "zubetoniert" und klagt über bürokratische Regelungswut.Ein Plus bei den Abonnements


Dabei können die Besucherzahlen im Premierenmonat September den Intendanten und mit ihm das Leitungsteam ganz zufrieden stimmen. Nach Angabe des Theaters wurden zu elf Terminen 3170 Karten verkauft. Wobei zu berücksichtigen ist, dass etwa bei Vorstellungen im Walzwerk die Zahl der Plätze sehr begrenzt ist.
Yvonne Mich, im Leitungsteam für den kaufmännischen Part verantwortlich, hat eine Platzausnutzung von insgesamt 81,66 Prozent errechnet. Mit 100 Prozent rangieren die Premieren von "Alles bleibt anders" und dem Tanzduett "Mistral" dabei vorne.

In absoluten Zahlen steht das erste Sinfoniekonzert an der Spitze - mit 557 verkauften Karten (Platzausnutzung von 89,5 Prozent). Sibelius hatte nach eigenen Angaben dazu 70 Flüchtlinge und ihre Paten eingeladen.
Auch bei den Theater-Abos sieht es gut aus: Trotz einer geringen Zahl an Protestkündigungen und einigen gesundheitsbedingten und wohl auch altersbedingten Kündigungen bei den Sinfoniekonzerten stiegen die Anrechte von 1647 in der letzten Saison auf jetzt 1793 - ein deutliches Plus. Ob der positive Trend im Besuch anhält, muss sich allerdings noch zeigen.

Aber abgesehen von solchen Zahlen: Die Publikumsreaktion besteht keineswegs nur aus Empörung, sondern auch aus differenzierten und teils positiven Stellungnahmen. Vor allem die Ballettproduktionen von Susanne Linke stießen auf einhellige Zustimmung.

Eine Problematik bei "Molière" und "Fidelio" räumt auch Sibelius ein: "Ich finde die Molière-Produktion bahnbrechend, an keinem Theater habe ich erlebt, dass sich ein Schauspielensemble in so spielerischer Form auch persönlich darstellen kann. Ich erkenne aber an, dass diese Produktion sehr kontrovers aufgenommen wird, was aber gerade am Theater absolut kein schlechtes Zeichen ist. Bei Fidelio habe ich den Regisseur gebeten, Striche in den Schauspielszenen vorzunehmen und einige Passagen, die mir als unnötige Provokation erschienen, herauszunehmen. Er ließ sich auf diese Vorschläge nicht ein." Hinzuzufügen ist, dass Inszenierungen vom Urheber-Persönlichkeitsrecht geschützt sind und die Regie damit generell weisungsfrei arbeitet. Trotz solcher Einschränkungen gilt für den Intendanten: "Von zehn Premieren waren acht überaus erfolgreich."

Und doch: Karl Sibelius ist unzufrieden. Er vermisst bei seiner Arbeit die Partner. Er vermisst Anerkennung, Verständnis und konstruktive Begleitung ohne Gängelei. "Wir haben wahnsinnig viel geschafft. Man soll uns einfach mal vertrauen und die Dinge laufen lassen."

Und ihn ärgert auch, dass in Sachen Theaterbau die Politik seine Position ganz einfach für sich vereinnahmt. Als alle noch vom Neubau sprachen, habe er die Sanierung ins Gespräch gebracht - als Erster. Wobei Sibelius Kulturdezernent Thomas Egger von seiner Kritik ausdrücklich ausnimmt.

Immerhin entspannt sich das Verhältnis zum Orchester und zu Victor Puhl offensichtlich. Sibelius: "Ich habe große Hochachtung vor dem GMD, und wir hatten gestern die erste gemeinsame Probe mit dem Orchester, bei der ich als Sänger fungiert habe. Es war ein sehr schönes Gefühl, und ich denke, wir haben eine gute Zeit vor uns."
Und das neue, das jüngere Publikum? Da ist man vorläufig auf den Augenschein angewiesen. Aber aus Sicht des Theaterteams geben einige Signale Anlass zu Optimismus.
Yvonne Mich erzählt von einer Klasse des Trierer Angela-Merici-Gymnasiums im Fidelio. Das Interesse sei riesengroß gewesen. Und nach der Vorstellung wurde "nur über das Theater gesprochen".Meinung

Gut aufgestellt
Alte Theaterhasen im Publikum müssten sich angesichts der jüngsten Konflikte eigentlich entspannt zurücklehnen. Der Einstieg eines neuen Intendanten war regelmäßig mit Turbulenzen verbunden. Nur bei Theaterfuchs Rudolf Stromberg lief Anfang der 1980er Jahre alles glatt. Im Übrigen gab es mal Probleme mit dem Etat, mal irritierten Inszenierungen, mal rief ein Politiker öffentlich zum Boykott einer Produktion auf, mal verstieß ein Intendant gegen seinen Vertrag und inszenierte ohne Genehmigung auswärts, mal meldete sich die Gemeinde-Unfallversicherung, weil Sicherheitsrichtlinien nicht beachtet wurden. Und in einem Fall verabschiedete sich sogar ein Schauspieldirektor und nahm sein gesamtes Team mit. Theater irritiert, und das ist gut so. Auch für das Trierer Haus wäre schöngeistige Langeweile tödlich. Mit der Stabilisierung von Orchester und Generalmusikdirektor hat die Stadt zudem für klare Verhältnisse gesorgt. Wenn jetzt GMD Puhl und Intendant Sibelius wirklich zusammenarbeiten - und alle Anzeichen sprechen dafür! -, dann ist das Theater am Augustinerhof in schwieriger Zeit gut aufgestellt. redaktion@volksfreund.deExtra

Das Walzwerk im Trierer Stadtteil Kürenz ist aus Sicht des Intendanten eine ideale Zweitspielstätte für das Theater Trier. Karl Sibelius ist sich auch absolut sicher, dass die Stadt diese Chance nutzen und am Walzwerk festhalten wird. "Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel." Doch ein Kenner der Theater- und Politikszene, der bereits Inhalte aus dem geheimen Theater-Gutachten ans Licht gebracht hat (der TV berichtete), widerspricht weiterhin. "Das Walzwerk hat keine Chance, denn es ist politisch nicht gewollt", sagt er. Kulturdezernent Thomas Egger hat das bisher nicht bestätigt, sondern darauf verwiesen, dass noch keine Entscheidung gefallen ist. jp

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