Einmal Revoluzzer, immer Romantiker

TRIER. Die Wut im Bauch und das Herz auf der Zunge: Konstantin Wecker, 57 Jahre, Musiker und Dichter seit wildbewegten Liedermacherzeiten, hat sich nicht verändert. Eine durchaus gute Nachricht.

Von wegen in die Jahre gekommen. Natürlich, ein bisschen grauer ist er schon, aber wirklich nur auf dem Kopf, nicht im Herzen und nicht im Hirn. Also da, wo‘s wirklich drauf ankommt, ist alles in bester Ordnung. Konstantin Wecker, Liedermacher der ersten Stunde und einer der wenigen Überlebenden aus jenen Tagen, als die Zukunft noch nicht von der Gegenwart plattgemacht worden war, lud das Publikum im Trierer Theater zu einem musikalischen Kurztrip durch mehr als dreißig Jahre Lieder-Leben ein. "Am Flussufer" heißt seine neue CD, und so ist auch das Konzert überschrieben. "Am Flussufer" - das klingt nach Besinnen und Ausspannen, nach Frei- und Faulheit und nach Ferien, baumelnder Seele und Lebensbilanz. Ein bisschen von all dem gab‘s dann auch zu hören - die unverschämt schönen und gefährlich gefühligen Liebeslieder mit den bekannten Kloß-im-Hals-Sekunden der Marke "Lass mich einfach nicht mehr los", die Überdosis Vitamin P(ositiv) mit dem Titel "Das ganze schrecklich schöne Leben" und, natürlich, "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist", der längst sein Erkennungssong geworden ist. Den Romantiker trennt vom Revoluzzer nur ein Taktstrich: Die alten Kampfgesänge präsentiert er heute natürlich nicht mehr ohne Selbstironie, wenn auch mit resignierter; und die Wut ist jung wie eh, wenn er den unbelehrbaren Rechtsradikalen, was ja im Prinzip ein weißer Schimmel ist, die Leviten liest, wobei die doch auf dem Ohr ohnehin stocktaub sind. Mit verschmitzter Perfidie lässt er die Börsianer tanzen, denen qua Massenentlassung die Konten gefüllt werden, und einen Rentner seinen Wohlstand verprassen ("Präposthum"), worauf der von den gierigen Erben sofort unter Kuratel gestellt wird. Bei Liedern wie diesen hat dem Wecker Konstantin gewiss der Kreisler Georg boshaft lächelnd über die Schulter geschaut. Auch sonst war Wecker nicht allein an diesem Abend: Als "Vorprogramm" hatte er das Duo "Strom & Wasser" (Heinz Ratz und Fee Stracke) mitgebracht, bei deren Liedern über Atombomben und Umweltverschmutzung ein nostalgisch-verstaubter Wirbelwind aus Studentenprotest und WG-Anheimeligkeit durchs Theater blies. Und nach der Pause ließ der Liedermacher sich von einem Schlagwerker, Perkussionisten oder besser: Klangzauberer begleiten. Hakim Ludin aus Afghanistan schuf mit Congas, Bongos, Timbales, Wassertrommeln und 1001 Rasseln einen Klangteppich, wie er die Erzählungen der Scheherazade begleitet haben mag: märchenhaft schön. Klar, dass der Mann sich vor Beifall nicht retten konnte. Sein beachtliches Einfühlungsvermögen, wenn es um den passgenauen Einsatz der flirrenden, zitternden, vibrierenden Sphärenklänge geht, bewies er, als er ein ihm bis dato unbekanntes Duett, das Wecker unter anderem für "Quo vadis" geschrieben hat, improvisierend begleitete. Für diese Uraufführung der Antikenfestspiele (Premiere: 16. Juni) hatte der Komponist die Sängerin Indira auf die Bühne geholt, die bei der Produktion mitwirkt. So kamen die Zuschauer in den Genuss einer Uraufführung - und eines wirklich einmaligen Ereignisses: Den Song wird man in dieser Form gewiss nie wieder hören.

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