Eldorado für Liebhaber schöner Bücher

LUXEMBURG. Eine höchst seltene Kostbarkeit: Die Nationalbibliothek Luxemburg zeigt die Schau "Die Beschreibung Ägyptens" aus der Großherzoglichen Bibliothek.

Plötzlich standen sie da. "Aus dem rosigen Sonnennebel tauchten die Umrisse gigantischer Phantome auf". Wie jedem ganz normalen Touristen ging es Napoleon, als er zum ersten Mal die Pyramiden sah. Er staunte. "40 Jahrhunderte blicken von der Höhe auf euch herab", soll der Franzose seinen Soldaten begeistert zugerufen haben. Schließlich war der General - anders als die meisten Reisenden - nicht zu seinem eigenen Vergnügen im Land der Pharaonen. Im April 1798 war der ehrgeizige Korse zum Oberbefehlshaber der französischen "Orient-Streitkräfte" ernannt worden. Schon einen Monat später brach er zu seinem legendären Ägyptenfeldzug auf, um dem Erzfeind England zu zeigen, wer im Mittelmeer der Stärkere war und wem das ägyptische Tor zum Orient gehörte.Um es gleich zu sagen: Der kleinwüchsige General, den seine Zeitgenossen bald den Großen nennen sollten, hatte wenig Glück in Ägypten. Gleich im August zerstörte Napoleons verhasster englischer Gegner Admiral Nelson die französische Flotte. Tausende von Soldaten fielen den Kämpfen und dem Wüstenklima zum Opfer oder starben an Hunger und Pest. Freilich: War auch Napoleons Waffengang eine militärische und wirtschaftliche Pleite, als wissenschaftliche Expedition wurde das "wahnwitzige Spiel" des späteren Kaisers ein glänzender Erfolg."Auf dem Gebiet des Wissens sind selten größere Eroberungen gemacht worden, als mit Hilfe der französischen Bajonette in Ägypten", schwärmte noch 1896 das größte deutsche Lexikon. Neben seinen 35 000 Soldaten hatte der leidenschaftliche Wissenschaftsfreund Napoleon 167 Gelehrte, Künstler und Techniker im Tross, die den Auftrag hatten, das unbekannte Land am Nil gründlich zu erforschen. Wer überlebte, machte sich in einem eigens eingerichteten Ägypten-Institut daran, Baukunst, Lebensverhältnisse, Brauchtum sowie Fauna und Flora des geschichtsträchtigen Wüstenstaats zu ergründen und zu dokumentieren. Was dabei entstand, war eine gewaltige Encyclopädie mit dem Titel "La Description de l´Egypte" (Die Beschreibung Ägyptens), die nach ihrem Erscheinen 1809 Napoleons Ruhm ungeheuer mehrte und ihmeinen Platz am gestirnten Himmel der Aufklärung sicherte.Nicht nur in Frankreich löste das Werk eine wahre Ägyptomanie aus. Wie weiland die Königstochter Moses im Körbchen, so entdeckte jetzt das gebildete Europa die bislang unbekannte ägyptische Wiege seiner Kultur. "Die ägyptische Baukunst war jetzt erst in ihrer ganzen Größe erkannt, und der Schleier lüftete sich, der bisher über einem großen Teil der Geschichte und Geographie dieses Landes geruht hatte", jubelte das zitierte Lexikon. Gegnern allerdings war die militärische wie wissenschaftliche Expedition nichts als ein kolonialistischer Vorstoß.Neun Text- und 13 Abbildungsbände

Gleichwohl: Wer sich dieser Tage die Prachtbände der "Beschreibung" in der Luxemburger Nationalbibliothek anschaut, ist noch immer fasziniert. Neun Textbände und 13 Bände mit Abbildungen umfasst die in Leder gebundene und goldgeprägte erste Ausgabe des Monumentalwerks, der 1830 eine zweite folgte. 126 Artikel und 894 zum Teil farbige Kupferstiche beinhalten die Abteilungen Altertum, Gegenwart und Naturwissenschaften. Ein Eldorado für Liebhaber schöner Bücher sind die Kupferstiche. Besseres wurde kaum je hergestellt. In die Großherzogliche Bibliothek gelangte die Kostbarkeit mit dem Haus Nassau. Dessen Mitglied Adolphe wurde 1890 Großherzog von Luxemburg. bis 31. März; Di-Fr 10.30 - 18.30 Uhr, Sa 9-12 Uhr; Katalog 30 Euro; weitere Information: www.bln.lu

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