Elektrizität auf der Bühne
TRIER. Ein außergewöhnlicher Macher für ein außergewöhnliches Stück: Bruno Klimek, einer der profiliertesten Regisseure im Lande, inszeniert am Theater Trier die Oper "Katja Kabanova" von Leos Janacek. Am Samstag ist Premiere.
"Aber ich kann doch nicht die ganze Zeit in das Loch singen." Vera Wenkert alias Katja Kabanova kämpft mit den Tücken des Bühnenbilds und der Regie. Die Sopranistin sieht einen Moment lang so aus, als wäre sie den Tränen nahe. Da muss sie schon mörderisch schwierige Töne singen und soll dabei minutenlang am Boden knien, ja fast kauern vor einer Kuhle, die in den Bühnenboden eingelassen ist. Aus dem Dunkel der hinteren Reihen springt ein Mann im Eiltempo auf die Bretter, die die Trierer Theaterwelt bedeuten. "Lass es uns doch ausprobieren", sagt er beschwörend. Ein kurzer Disput mit Dirigent István Dénes, und die Probe geht weiter. Der Mann in den schwarzen Künstlerklamotten verschwindet wieder im Dunkel des leeren Zuschauerraums. Und die Szene, man kann es fühlen und sehen, funktioniert wunderbar.Ein Regisseur, der um seine Inszenierungen ringt
Bruno Klimek geht der Ruf voraus, dass er um seine Inszenierungs-Ideen ringt. Mit Dirigenten, mit Darstellern, mit Intendanten - und manchmal auch mit dem Publikum. In Nürnberg haben sie letztes Jahr seine Inszenierung von Katja Kabanovas Schwester-Oper "Jenufa" gefeiert wie eine Offenbarung. Letzten Monat, bei Verdis "Macht des Schicksals", sah er sich an gleicher Stelle einem monumentalen Buh-Gewitter gegenüber. "Theater funktioniert nur über Auseinandersetzung", sagt Klimek. Nichts sei schlimmer, als wenn "die Leute heim gehen und sagen, es war nett, aber dafür brauchen wir nicht ins Theater". "Nett" wird man Klimeks Inszenierungen selten finden. Seine präzise Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, Charaktere auszuloten, haben ihn in den neunziger Jahren als Schauspielregisseur in die erste Reihe seines Fachs katapultiert. Berlin, Hamburg, Bonn, Köln waren ebenso Stationen wie die Tätigkeit als Schauspieldirektor am Mannheimer Nationaltheater. Zuletzt lockte ihn mehr und mehr die Oper, wo, wie er sagt, "die Seele in der Musik liegt und nicht erst mühsam erarbeitet werden muss". Was keineswegs heißt, dass den Sängern die Mühsal der Darstellungskunst erspart werden soll. Im Gegenteil: Klimek verlangt Enormes. Das "Absondern von Arien" reicht ihm nicht, aber bei den meisten Sängern trifft er auf "eine beachtliche Bereitschaft, sich auf Rollen einzulassen". So wie bei seiner Trierer Titelheldin. Ein "Seelendrama mit Musik" nennt Sopranistin Vera Wenkert die Geschichte der Katja, die, zerrieben zwischen gesellschaftlichen Zwängen und unbändigem Freiheitswillen, ihrem Leben selbst ein Ende setzt. "Eine fast pathologische Figur", sagt die Sängerin, die sich aufgemacht hat, gemeinsam mit dem Regisseur eine Charakterstudie auf die Bühne zu bringen. Es sei "schon eine extreme Erfahrung, sich körperlich so in die Rolle reinschmeißen zu müssen". Von "Elektrizität", die auf der Bühne spürbar sei, spricht Musikdramaturg Peter Larsen. Im unerträglichen Spannungsverhältnis zwischen tyrannischer Schwiegermutter, ungeliebtem Ehemann und schwachem Geliebten geht Katja Kabanova zu Grunde. "Ungeheuer komplex" nennt Klimek die psychologischen Verästelungen, und so sei auch Janaceks Musik. Die Texte seien "eher marginal", das Drama spiele sich in der Musik ab. "Ich versuche, die Geschichte, die die Musik erzählen will, auf der Bühne umzusetzen", beschreibt er seine Arbeitsweise. Netz und doppelter Boden sind seine Sache nicht, eher schon der Kitzel des Risikos. Egal, ob er am Regiepult sitzt oder beim Interview im Theaterfoyer eine Zigarette nach der anderen qualmt, im Nichtraucherbereich, nicht weit vom Rauchmelder.In die Biographie der Zuschauer eingreifen
Neulich, nach einer seiner Premieren, da hat er gesehen, wie Ehepaare nach Hause gingen, heftig und kontrovers über das gerade Gesehene diskutierend. "Da habe ich praktisch mit meiner Arbeit in die Biographie der Zuschauer eingegriffen", sagt er und lächelt. Es dürfte ein Abend gewesen sein, an dem er das Theater ausgesprochen zufrieden verließ. Premiere am 18. Dezember um 20 Uhr. In weiteren Rollen Gor Arsenian, Angelika Schmid, Juri Zinovenko, Eva-Maria Günschmann, Peter Rieger, Peter Koppelmann, Laszlo Lukacs. Bühnenbild: Thomas Armster, Kostüme Carola Vollath. Weitere Vorstellungen am 25. und 28. Dezember,,am 7., 22. und 29. Januar und am 5. Februar. Karten: 0651/7181818.