Energisch und elegant: Philadelphia Orchestra mit Star am Taktstock

Luxemburg · Brahms allzu energisch, dafür Beethoven und Strauss umso eindrücklicher: Das Philadelphia Orchestra und sein Dirigent Yannick Nézet-Séguin haben in Luxemburg ein wechselhaftes Programm präsentiert.

Luxemburg. Nicht jedes Werk passt zu jedem Dirigenten. Einmal mehr zeigte sich das in der Luxemburger Philharmonie, wo Yannick Nézet-Séguin mit dem Philadelphia Orchestra zu Gast war. Nachdem der Kanadier in Brahms 3. Sinfonie der deutschen Romantik gewaltig den Garaus gemacht hatte, war er im folgenden Beethoven-Konzert und in Richard Strauss\' Suite "Der Rosenkavalier" ganz in seinem Element.
Blitzstart in die oberste Liga


Der 40-jährige Kanadier hat sich in einer Blitzkarriere in die Liga der interessantesten Dirigenten der jungen Generation hochgearbeitet. Als das reinste Energiebündel steht er in Luxemburg auf seinem Podium, klein, gedrungen, durchtrainiert, elastisch wie ein Gummiball. Und so dirigiert er Brahms: gestenreich, energisch im Zugriff und gewaltig im Klang. Da ist nichts mehr von dem zu spüren, was Clara Schumann noch an Poesie in der Musik ihres Freundes Brahms erkannte. Eher drohen hier Richard Wagners dämmernde Götter.
Das Orchester tut ein Übriges mit seinem messerscharfen Geigenklang, wie er als typisch für amerikanische Orchester gilt, und stählernen Blechbläsern, die, wo sie markieren sollen, die ganze Musik wegblasen. Zudem gelingt es Nézet-Séguin nicht immer, den Spannungsbogen zu halten. Da klingt die Musik nur noch gewissenhaft.
Aber dann: Szenenwechsel in Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll, auch musikalisch. Das Orchester, jetzt in kleiner Besetzung, macht seinem Ruf, zu den exklusiven "big five" der amerikanischen Musikszene zu gehören, alle Ehre.
Orchesterklang vom Feinsten ist angesagt. Vielschichtig, farbenreich und geschmeidig lässt Nézet -Séguin spielen. Herrlich durchhörbar verbinden sich Beethovens Idealismus und Mozarts unterschwellige Dämonie in der Musik. Wunderschön das sinnende, nach innen gewandte Largo, das weit hinausweist auf den späten Beethoven.
Am Klavier ist Emanuel Ax dem Orchester ein hervorragender Dialogpartner, eine Stimme mehr im symphonischen Gefüge. Der 1949 in Lemberg geborene Amerikaner ist einer der bedeutenden Pianisten dieser Zeit. Und, wie sich in Luxemburg einmal mehr zeigte, ist er auch einer der ganz noblen.
Beredt, dabei brilliant in der Technik ist sein Spiel. Jeder seiner Triller sprüht Funken. Feinnervig und stilistisch sicher, deutete er Beethovens Musik aus.
Vielleicht ist er nicht ganz so wagemutig wie andere Kollegen. Dafür ist seine Freude am Dialog umso ansteckender. Ax\' Lust an Rede und Gegenrede sprang sichtlich auf die Musiker aus Philadelphia und ihren Dirigenten über. Ihr Dialog war musikalischer Austausch in fast kammermusikalischer Qualität.
Zum Ende Strauss\' Rosenkavalier-Suite: Noch einmal läuft das gesamte Orchester zur Hochform auf. Zum Farbenreichtum und zur Dynamik kommen Witz, Eleganz und glasklare Klänge. Nézet -Séguin und seine Musiker machen sie alle in der Musik sichtbar: den poltrigen Ochs auf Lerchenau, die kluge Marschallin und die Liebe, jene geradezu überirdische Idee. "Das war ein schöner Abschluss", freut sich ein Besucher und stimmt in den Beifall der 1300 jubelnden Zuhörer ein. er

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