"Er liebte Pathos und dramatische Effekte"

WIEN. Das Holzhausenschlösschen im Nordend von Frankfurt ist eine exzellente Adresse für Kultur und Gastfreundschaft. Die Frankfurter Bürgerstiftung hat dort ihren Sitz. Eine kleine, aber gut konzipierte Ausstellung im zweiten Stock des Schlösschens ist dem österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig gewidmet. Sein 125. Geburtstag jährt sich am 28. November.

Die Frankfurter Ausstellung macht mit dem leidenschaftlichen Briefeschreiber Zweig bekannt - noch bis zum 1. Dezember. Die charakteristische Auswahl aus den etwa 25 000 Briefen, die Zweig in seinem Leben geschrieben hat, beeindruckt. Sie wird ergänzt durch Bilder von wichtigen Stationen seines Lebens. Die Besucher sind begeistert, wie das Gästebuch zeigt. Zweig-Fans haben zum Teil weite Wege auf sich genommen. Der gebürtige Wiener war einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Zeit. Seine Erzählungen und Romane, etwa "Brennendes Geheimnis", "Verwirrung der Gefühle", "Schachnovelle" (der Schul-Klassiker), "Ungeduld des Herzens", seine literarischen Biografien (über Maria Stuart, Marie Antoinette, Magellan, Erasmus von Rotterdam und Balzac), die berühmten historischen Miniaturen "Sternstunden der Menschheit" und seine zahlreichen Essays erreichten weltweit ein interessiertes Publikum. Viele seiner Texte wurden verfilmt. Seine Übersetzungen von Werken Verlaines, Baudelaires und vor allem Verhaerens machten das deutschsprachige Publikum mit dem Denken dieser Literaten bekannt. Unter dem Titel "Die Welt von gestern" geben seine Erinnerungen einen faszinierenden Einblick in die persönliche und gesellschaftliche Lebenswirklichkeit des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert. Mit seinem Antikriegs-Drama "Jeremia" - 1918 im Stadttheater Zürich uraufgeführt - setzte Zweig einen ersten deutlichen Akzent für seine pazifistische Grundhaltung. Von 1919 bis 1935 lebte Stefan Zweig in Salzburg. Sein Haus auf dem "Kapuzinerberg" war während dieser Zeit ein bekannter Treffpunkt von Intellektuellen aus ganz Europa. Zweigs Gastfreundschaft war ausgeprägt; viele Schriftstellerkollegen hat er uneigennützig unterstützt. Der nationalsozialistische Terror zwang ihn zur Emigration nach England, ab 1940 lebte er in Brasilien (Petropolis). Das Leben des vom Erfolg verwöhnten Schriftstellers nahm eine tragische Wendung, nachdem er feststellen musste, dass die Welt seiner Sprache untergegangen war und seine geistige Heimat Europa sich im Zweiten Weltkrieg selbst vernichtete. Mit seiner zweiten Frau Lotte scheidet Zweig 1942 freiwillig aus dem Leben. In seinem Abschiedsbrief heißt es: "Nach dem sechzigsten Jahre bedurfte es besonderer Kräfte, um noch einmal völlig neu zu beginnen. ... Ich grüße alle meine Freunde. Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus." In seinem Einsatz für humane Werte und für die europäische Verständigung ist Zweig auch heute hochaktuell. Donald G. Daviau würdigt den Literaten Stefan Zweig: "Er war ein virtuoser Erzähler, der mit verlockendem Spürsinn in einem abwechslungsreichen, durch kräftige Kontraste gekennzeichneten Stil schrieb. Er liebte Pathos und dramatische Effekte, die das Gefühl der Leser direkt anzusprechen vermochten, sie mitrissen und fesselten ... Er hat Weltruhm gewonnen, ohne sich an Form- oder Sprachexperimenten zu versuchen." Der S. Fischer Verlag - auch er verbindet Zweig mit Frankfurt - hat aus Anlass des Geburtstags drei Publikationen vorgelegt: Eine Ausgabe der "Meistererzählungen", die Veröffentlichung des Briefwechsels mit seiner ersten Frau Friderike von Winternitz und eine neue Biografie Stefans Zweigs aus der Feder des Historikers Oliver Matuschek (Wolfenbüttel). Die Buchhandlung "Interbook" und das Bischöfliche Angela-Merici-Gymnasium laden zu einem "Stefan-Zweig-Abend" ein am Donnerstag, 7. Dezember, um 19.30 Uhr in der Aula des AMG (Neustraße). Oliver Matuschek hält als Referent einen Vortrag über seine Zweig-Biografie.

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