Erfrischend drauflos geschwätzt

Das hat noch keiner gewagt: Geistig Behinderte als ganz normale Gäste einer Talkshow, das Zeitgeschehen kommentierend, sich selbst darstellend, so wie es alle möglichen Leute in allen möglichen anderen Talksendungen tun.

Zu groß erschien die Gefahr der Peinlichkeit, das Risiko, Menschen vorzuführen, die mögliche Nähe zur Freak-Show. Guildo Horn zertrümmerte in seiner Sendung "Guildo und seine Gäste" alle Bedenken durch konsequentes Ignorieren derselben. Keine verquaste Behinderten-Pädagogik, keine gequälte political correctness, keine aufgesetzte "Ist es nicht toll, wie ernst wir euch nehmen"-Attitüde. Es wurde einfach drauflos geschwätzt, manchmal klug, manchmal dumm. Wie bei Christiansen. Nur frischer. Die Unbekümmertheit, mit der Guildo seine Gäste ins Gespräch zog, war der sicherste Weg, Krampf zu vermeiden. Da gab es kein Abhaken von Pflichtthemen aus einem imaginären Zettelkasten, da wurde fröhlich von einem Sujet zum anderen gehüpft. Über Zidane und Oberweiten, Schwarzenegger und Schwule, Freundinnen und das Leben nach dem Tod. Neugierig, aber nicht indiskret. Manchmal vielleicht eine Spur zu hastig. Da hätte man von den pfiffigen Gästen gerne mehr erfahren. Denn das ist die Erkenntnis, bei der man sich als Zuschauer ertappt: Die sind ja gar nicht so, die Behinderten. Nicht so hilfsbedürftig, unselbstständig und ein bisschen beschränkt, wie selbst diejenigen denken, die sich für ziemlich vorurteilsfrei halten. Schon das macht die Sendung lohnenswert. Und unterhaltsam ist sie auch. Vielleicht verzichtet Guildo beim nächsten Mal auf den blauen Babystrampler-Anzug. Der lässt die Sache unnötig infantil wirken.Dieter Lintz

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