Erinnerungen an frühes Glück

TRIER. Er singt die alten Lieder, und die Besucher erinnern sich an die Zeit, in der sie diese Lieder lieben lernten. Heino in der Arena Trier – ein gestandener Profi auf der Bühne und viele begeisterte Mitsänger im Publikum.

Kaum hat die Band mit der Einleitung begonnen, da klatschen sie schon den Takt. Die schätzungsweise 1000 Besucher von Heinos Abschiedsspektakel in der Trierer Arena sind mit Leib und Seele dabei. Nicht nur dabei, um brav und still zuzuhören oder in programmierte Begeisterung auszubrechen. Sie singen die Lieder mit, die viele wahrscheinlich noch aus einer Zeit kennen, in denen Heinz-Georg Kramm, genannt Heino, noch gar nicht an die Bühnenkarriere dachte. Heinos Stücke sind Mitmach-Musik.Auch nach 50 Jahren immer noch ganz der Alte

Heino ist auch auf der Abschieds-Tournee nach stolzen 50 Jahren Bühnen- und immerhin 40 Jahren Studioerfahrung ganz der Alte. Mit allem, was zum guten Entertainer gehört: die standfeste, sonore Baritonstimme, die saubere, sorgfältige, immer verständliche Sprache, die treffsichere Mischung aus Seriösem und Spontanem im Auftritt, die Fähigkeit, ein Publikum mitzureißen, selbstverständlich die perfekte Abstimmung mit der exzellenten, gleichfalls hoch professionellen Band. Zwischendrin schwenken außerdem sechs Damen vom MDR-Fernsehballett in wechselnder Kostümierung die Beine und sorgen für die offenbar nötige attraktive Optik. Die "Schwarze Barbara" singt er, "Wildgänse rauschen durch die Nacht", "Uns geht die Sonne nicht unter", "Teure Heimat", "Ännchen von Tharau", "Am Brunnen vor dem Tore", "Der Mond ist aufgegangen" oder auch "Sah ein Knab' ein Röslein stehen" - immerhin vom Textautor Goethe. Zwischendrin erzählt er aus seinem Künstlerleben. Und dann immer wieder, wie ein Leitmotiv, aber ohne Untertöne aus der rechten Ecke, das Plädoyer für "unsere wunderschönen alten Volkslieder und unsere deutsche Sprache". Natürlich hat der Dampfer, der bei Heino unter dem Etikett "Volksmusik" fährt, auch ein paar blinde Passagiere an Bord. So marschiert der berühmte Torero aus Bizets "Carmen" auf in den Kampf, Rudi Schurickes "Capri-Fischer" verbreiten das Fernweh von damals, und der Durchhalte-Schlager von 1943 erzählt die unpolitische, aber damals politisch erwünschte Mär vom unerschütterlichen Seemann. Einmal präsentiert Heino ein Rock'n Roll-Stück seines Mentors Ralf Bendix, und ein paar eigene Hits hat er auch parat. Volksmusik? Macht nichts. All das sind für viele Rückblicke auf eine (für sie) schöne Vergangenheit und dabei nicht nur wehmütige Nostalgie. Wenn das berühmte Seemannslied die Liebe zu Stürmen und brausenden Wogen besingt, dann sind sie spätestens im Refrain mit dabei, und das sogar zweistimmig. Da wird bei den meist 60-, oft 70- vielleicht sogar über 80-Jährigen, von denen einige im Rollstuhl sitzen, die Erinnerung wach an eine andere Zeit. Damals, als die Alten von heute die Jungen waren und in den Zeltlagern die Lieder aus dem "Zupfgeigenhansl" oder der "Mundorgel" sangen. Und darum löste der Auftritt des "Golden Gate Quartets", mit einigen Spirituals, aber auch der zu Unrecht als Nazi-Lied diffamierten "Schwarzbraunen Haselnuss", wenig mehr aus als freundliche Distanz - und bei manchen lautstarke Ablehnung. "Wir wollen Heino", schallte es durch die Arena. Der kam wieder, sang und siegte, und als der berühmte gelbe Wagen rollte, und jemand zum Städtele hinaus musste, da erschienen Sängerinnen und Sänger aus Trier auf der Bühne und machten mit. Eine Woge von Begeisterung ging durch den Saal. Und dazu lebendige Erinnerungen an das Glück der frühen Jahre.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort