Erst entrümpeln, dann restaurieren

TRIER. Auf zur Architektur-Tour 2003 der Architektenkammern Rheinland-Pfalz und des Saarlandes geht es an diesem Wochenende. Über 60 Projekte, davon ein knappes Dutzend in der Region, erwarten am 28. und 29. Juni ihre Besucher.

"Heute baut morgen", werben die Architekten. Leider, mag manch einer denken beim Anblick zersiedelter Landschaften, von Material- und Formgemenge und poliertem Edelkitsch. Ganz zu schweigen von den winzigen, immer teureren Grundstücken. Deren Dichte versiegelt die Landschaft so perfekt, dass für Regenwasser eigene Auffangbecken gebaut werden müssen, die sich nur allzu gern in stinkende Tümpel verwandeln.Schlimm sieht es auch in den Städten aus, deren Zentren immer brutaler verbaut werden. Mit ihrem "Tag der Architektur" versuchen die deutschen Architektenkammern seit Jahren, dem Notstand in der Architektur entgegenzuwirken. Natürlich geht‘s auch um Werbung. Die zum Tag veranstaltete Schau "Architektouren" soll nicht zuletzt das Image der Architekten aufbessern, die sich allerorts gegen eine immer stärkere Konkurrenz von Bauträgern zu wehren haben. Denn die Festpreisanbieter haben in Zeiten steigender Kosten bei den Kunden die Nase vorn.Die Auswahl reicht vom Gehöft bis zum Museum

Klappern tut also dringend Not beim architektonischen Handwerk. 150 Architekten haben sich in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz und im Saarland zur Architektur-Tour gemeldet. 62 Projekte hat eine Fachjury davon ausgewählt. Aufs ganze Land gesehen ist die Auswahl der Vorzeigeobjekte breit: Vom Schulbau über Wohnhaus und Industriebau bis zum Sanierungsprojekt reicht die Palette. Auch in der Region gibt es vielerlei zu sehen - vom holzwirtschaftlichen "Gehöft" bis zum Museumsbau.Nicht um gebautes Spektakel, sondern um gute zeitgenössische Architektur geht es bei den vorgestellten Bauten. Da ist formal weniger oft mehr - wie das schlichte, aber perfekte Radler- und Bootshaus in Schoden der Architektin Heide Karnatz-Bock aus Trier beweist. Gute Architektur muss wirtschaftlich sein und umweltschonend, gut in der Form und ihrem Zweck verpflichtet, nicht zu vergessen der angemessene Umgang mit dem Grundstück. Was sich in den geöffneten Bauten zudem widerspiegelt, ist die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Architekten. Das ist beileibe nicht selbstverständlich, wie allerorts und bisweilen etwas bitter die Baumeister bestätigen.Zu den rundherum gelungenen Bauten dieser Tour gehört das "Forstgehöft" des Wittlicher Architekten Lubens Simon in Hetzhof. Auf einem aussichtsreichen Hochplateau des Kondelwaldes hat Simon ein schlüssiges Ensemble aus Wohnhaus, Büro- und Ökonomiegebäude erstellt. Der energiesparende Holz-Ständerbau fügt sich perfekt in die Landschaft. Ein Gesimsband hält die einzelnen Gebäudeteile zusammen. Holztore betonen den "Gehöft-Charakter". Einziger Schmuck ist die Materialwirkung des Holzes, das in den nächsten Jahren mit Anstand ergrauen soll.Und noch ein Holzbau hat‘s in sich. Auf zugiger Hunsrück-Höhe haben die Architektinnen Annette Eiden-Schuh (Morbach) und Dorothea Brendle (Reil) ein zweiflügeliges Querhaus errichtet. Der lichte Bau aus Holz und Glas beherbergt das Museum "Vicus Belginum". Der Hinweis auf die Hausstrukturen der vorgefundenen römisch-keltischen Siedlung "Belginum" mag etwas bemüht sein. Dafür überzeugt der Bau durch seine Ästhetik und Funktionstüchtigkeit.Ein Highlight unter den Wohnhäusern ist das Projekt der Architektengruppe Jäger, Henter, Weimann in Wellen. Das Serriger Team hat den interessanten Hang sozusagen ins Haus geholt. Dort öffnet sich eine abwechslungsreiche, schön gestaltete Wohnlandschaft, die den Blick aufs hinreißende Moseltal freigibt. Interessant: das gläserne Waldhaus Müllender des Architekten Georg Otto Kersch aus Trier. Dass Entrümpeln beim Sanieren vor Umbauen geht, beweist schließlich eindrucksvoll die umgestaltete Tourist- Information in Trier (Architekt Lukas Baumewerd, Köln und Hochbauamt Trier).

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