Europäer aus Leidenschaft

PRÜM. Der Maler und Grafiker Manfred Freitag wird heute mit dem Kaiser-Lothar-Preis der Stadt Prüm ausgezeichnet.

Angefangen hat alles damit, dass er vom elterlichen Wohnort Wincheringen ans andere Moselufer nach Luxemburg schwamm. Seitdem gehören Grenzgänge für Manfred Freitag zum ganz alltäglichen Leben. Mehrmals in der Woche wechselt der Maler und Graphiker, der heute im Konzer Stadtteil Oberbillig lebt und arbeitet, hinüber ins Luxemburgische. Auch sonst ist er unermüdlich unterwegs zwischen Eifel und Ardennen und im nahen Dreiländereck bei Schengen, wo Europa sich unlängst wieder ein Stück näher kam. Ein Europäer aus Leidenschaft ist der gebürtige Berliner. Allein seine Ausstellungsbiographie, die Schauplätze zwischen Antwerpen, Paris und Straßburg und auf der anderen Seite von Trier und Luxemburg bis Mainz aufweist, liest sich wie ein Bekenntnis zu einer europäischen Kunst ohne Grenzen. "Ich bin immer über die Grenzen gegangen", sagt der 70jährige Künstler. Das klingt gleichermaßen wie Glaubensbekenntnis und Programm. "Der internationale Austausch war mir stets ungeheuer wichtig. Ich wollte auf jeden Fall vermeiden, im eigenen Saft zu schmoren." Was Wunder, dass sich Freitag gleich 1960 der jungen Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen anschloss. Aktiv setzte er sich dort mit seiner Kunst für die Verständigung und Freundschaft der europäischen Künstler ein - über alle Gräben hinweg, die zwei Weltkriege hinterlassen haben. Wie dereinst der Kunsthistoriker Jacob Burkhardt, so glaubt auch Manfred Freitag an das Ewige einer Kunst, die Worte findet für das, was unaussprechbar ist und die es erlaubt, die Nichtigkeiten des Lebens hinter sich zu lassen. Dass Manfred Freitag jetzt den angesehenen und mit 2500 Euro dotierten Kaiser-Lothar-Preis erhält, zeichnet gleichermaßen den Künstler wie den Europäer aus. Wie gesagt: Grenzbalken vor dem Kopf und Scheuklappen gegen den freien Blick waren Freitags Sache nie. Schon damals nicht, als sich 1960 der Student der Trierer Werkkunstschule und spätere Staatspreisträger kurzerhand im zweiten Semester in den Zug nach Paris setzte, um eine Kunst zurückzugewinnen, von der die deutschen Künstler über ein Jahrzehnt abgeschnitten waren. "Zum ersten Mal einem echten Picasso gegenüber stehen, das war etwas ganz Großes", bekennt Freitag noch 50 Jahre später. Die klassische französische Moderne beeinflusste denn auch nachhaltig das Werk des Malers. Bis heute zeigen sich ihre Mittel in seinen Assemblagen und Bildfindungen. Mit seinem Trierer Lehrer Reinhard Heß und später als rheinland-pfälzischer Stipendiat bei Oskar Kokoschka übte sich Freitag in den Nachkriegsjahren im freien Blick einer freien Kunst. Jahre später stand er mit anderen in jener denkwürdigen Ausstellung "Aufbruch nach 1945" im Mainzer Landesmuseum für die Erneuerung einer freien Kunst hierzulande. Freitags Werk ist tief in der europäischen Tradition verwurzelt, wie auch seine jüngsten Arbeiten, seine "objets trouvés" deutlich machen. In jenen Arbeiten wird einmal mehr Freitags Lust am Wandel von Materie und Form deutlich, seine Entschlossenheit, sich immerfort ein neues eigenes Bild zu machen, von dem, was längst gesichertes Bild scheint. "Was aber im Bleiben verharrt, schon ist's das Erstarrte", weiß des Dichters Wort. Das gilt gleichermaßen für den Künstler wie für Europa. Manfred Freitags Kunst kämpft mit europäischen Engagement gegen Erstarrung im Werk. Der Preis wird heute um 15 Uhr in der Abtei in Prüm verliehen.

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