Ewig währt am längsten

NÜRBURGRING. Von Auswärtsspielen, Trinkliedern und der Macht der Beständigkeit: Am Sonntag treten die "Toten Hosen" nach vier Jahren wieder als Hauptgruppe bei "Rock am Ring" auf.

"Klar werde ich Fan der ,Toten Hosen' - das gehört doch dazu", sagt Markus Lösch. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht trennen. Das weiß der Fußballer, der bislang bei Eintracht Trier kickte und der nun in Düsseldorf in der Regionalliga spielt. Wer zur Fortuna wechselt, sollte nicht unbedingt mit dem Kölsch in der Hand "Anti-Hosen-Parolen" grölen. Nicht nur, weil die Erfolgsband als Mäzen und ehemaliger Trikot-Sponsor der Fortunen schon viel Herzblut und Geld in den Verein gesteckt hat. Als sich die "Toten Hosen" 1982 gründeten, spielte die Fortuna noch Bundesliga. Die Neue Deutsche Welle blühte, Synthesizer quiekten, s‘Nicole aus dem Saarland fand trotz Ralph Siegel ein bisschen Frieden. Alles war anders, nicht alles besser. Die Zeit brachte immer wieder Abstiege, bis runter in die Bedeutungslosigkeit. Zitterpartien, finanzielle Horrorshows, einen Stadion-Abriss. Allerdings nur bei der Fortuna. Bei den "Toten Hosen" - als Punkband nicht unbedingt dem Kommerz geweiht - ging es aufwärts. Spätestens seit "Ein kleines bisschen Horrorschau" (1987) spielen die Rheinländer in der Rock-Bundesliga immer um den Meistertitel. Auch weltweit rocken sich die bekennenden Bayern-Hasser in die Herzen: In Argentinien etwa sind Sänger Campino & Co. halbe Nationalhelden. Die "Süddeutsche Zeitung" mutmaßte bereits, dass die Band bei der argentinischen Jugend die wichtigsten deutschen Kultur-Attachés, weit vor Goethe & Co., sind. "Hosen"-Titel wie "Steh auf, wenn du am Boden bist" sind als Botschaft wohl auch schneller zu verdauen als Hegel oder Hesse. Die "Toten Hosen" stehen für die Macht der Kontinuität. Wenn alles kompliziert wird und alt und anders, braucht es Fixpunkte. Den einfachen, eingängigen, immer noch flotten Deutsch-Punk liefert die Band auf bislang 16 Alben. Mal wird es politisch (wie im satirischen "Sascha"), oft alkoholisch ("Eisgekühlter Bommerlunder") und ganz ohne Fußball geht es inhaltlich auch nicht immer. Vielleicht sind Campino, Breiti & Co. nie erwachsen geworden. Vielleicht sind aber auch nur die anderen alt geworden. Die Altersgenossen, die mit Mitte Vierzig schon die Rentenpläne in der Schublade bunkern. "So lange Johnny Thunders lebt, so lange bleibe ich ein Punk", sang Campino schon vor knapp 20 Jahren. Mittlerweile ist Ur-Punk Thunders längst unter der Erde. Der Punk in Campino lebt weiter. Kommerziell ging es für die Band immer aufwärts, Niederschläge gab es dennoch. Das 1000. Konzert im Düsseldorfer Rheinstadion sollte 1997 ein Höhepunkt werden, es wurde ein Desaster: Im Gedränge vor der Bühne starb eine 16-Jährige. Bei einem Konzert in Buenos Aires stürzte die Bühne ein (es gab keine Verletzten). Und an den letzten Auftritt bei "Rock am Ring" 2000 wird sich zumindest Campino mit Schmerzen zurückerinnern, wenn er am Sonntag wieder in der Eifel ist: Der Sänger erlitt einen Kreuzbandriss, hielt aber bis Konzert-ende durch. Es gibt eben Unterschiede zwischen Ball und Bühne: Für einen Fußballer im gesetzteren Alter ist das praktisch der Rentenbescheid. Für einen Musiker und Punk wohl nur eine schmerzhafte Erinnerung.

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