FESTSPIEL-SPLITTER

Harter Abend für Medienleute: Noch nie war es so schwer, prominente oder weniger prominente Zuschauer zu einer Meinungsäußerung zu bewegen. "Die wollen alle nicht", stöhnte Thomas Vatheuer (Regioreporter/Radio RPR), und auch seine Kollegin vom SWR holte sich einen Korb nach dem anderen.

Mancher bekannte Besucher ging gar unauffällig in Deckung, wenn er Journalisten nahen sah. Diejenigen, die nicht ausweichen konnten, blieben eher sibyllinisch. Liebstes Gesprächsthema war das wunderbare Wetter - ein Vorzug, den seit Jahren keine Festspiel-Eröffnung für sich verbuchen konnte. Nach der Aufführung gefragt, wurde es meist unverbindlich. "Ganz nett", war der Favorit unter den Statements, gefolgt von "halt mal was anderes". Ein Promi aus dem benachbarten Saarland, der freilich anonym bleiben wollte, versprach, "möglichst viele Saarbrücker hier hin zu schicken, damit die sehen, was sie an ihrem Frank Nimsgern haben". Der so gelobte Hauskomponist der Musicals im Staatstheater war selbst angereist, charmant begleitet von Ex-"Trier plus"-Fernsehmoderatorin Lisa Brück. Er blieb auch bis zum Ende, im Gegensatz zu Alt-Intendant Rudolf Stromberg und IHK-Präsident Wolfgang Natus, die bereits zur Pause den Heimweg antraten. Nur virtuell anwesend, aber in vielen Gesprächen um so präsenter: Festspielgründer Heinz Lukas-Kindermann. Dialog zweier älterer Damen am Sektstand: "Der Kindermann würde sich im Grab umdrehen, wenn er das hier sehen müsste". - "Aber wieso, der lebt doch noch, oder?" Von DomkapitularHans-Wilhelm Ehlenbegleitet, verfolgte Bischof Reinhard Marx das Geschehen um Christen und Heiden, dabei allerlei phallisch dominierte Szenen mit großer Gelassenheit registrierend. Amüsiert rezitierte er anschließend besonders literarisch wertvolle Reime ("Es ist der Fischer Simon Petrus - schade nur, dass er schon gehn muss"). Solche Reime (nein, definitiv nicht von Heinz Erhard) hatten es auch Helmut Haag alias Fischers Maathes angetan, der Symbolfigur des Trierer Karnevals. Er ("Reim dich, oder ich fress dich") fühlte sich gar an fastnachtliche Büttenreden erinnert: "Da ahnt man auch irgendwie immer, was am Ende des Verses herauskommt." Nicht vorausahnen, was ihr passieren würde, konnte Lygia-Darstellerin Claudia Felix. Zu Beginn ihrer zweiten großen Szene brach ihr ein Absatz der hochhackigen Schuhe ab. Geistesgegenwärtig spielte sie den Aufzug "auf einem Bein" weiter, so routiniert und professionell, dass es kaum einer der Zuschauer bemerkte. Vielleicht sollte man beim nächsten Mal einen Schuhproduzenten in die Schar der Sponsoren aufnehmen, die Intendant Gerhard Weber vor Beginn der Vorstellung ausführlich begrüßte. Einen neuen erfand er gleich dazu: "Die Bitburgerei". Vom belustigten Publikum auf den Fauxpas aufmerksam gemacht, bekannte der Festspielchef offen, er sei "ganz schön nervös" - und sammelte so Sympathiepunkte. Die verdiente auch Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, der sich beim Schlussbeifall die Hände rot klatschte, um zu verhindern, dass der schüttere Beifall versiegte, bevor die obligatorischen Blumensträuße auf der Bühne überreicht werden konnten. Er applaudierte noch fleißig, als OB Helmut Schröer und ADD-Präsident Josef Peter Mertes sich bereits von ihren Stühlen erhoben hatten - nicht etwa, um Standing Ovations zu spenden, sondern um den Weg zum Empfang im Festzelt anzutreten. Hätten sie ihn erkannt, hätten sie dort einen hochinteressanten Gesprächspartner aus der großen Politik treffen können: Dieter Dehm, Liedermacher, Musikmanager und Wecker-Freund, derzeit als PDS-Landesvorsitzender einer der Architekten des Linksbündnisses um Gysi und Lafontaine. Aber der war für Trierer Verhältnisse vielleicht doch zu sehr Paradiesvogel. Dieter Lintz

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