Fantasie mit kleinen und kleinsten Nuancen

Die Dresdener Frauenkirche wird von vielen als das bedeutendste protestantische Gotteshaus in Deutschland angesehen. Ihr Organist, der Schwabe Samuel Kummer, machte sich von der Elbe auf an die Mosel, um eines der sommerlichen Orgelkonzerte in der Konstantin-Basilika zu gestalten.

Trier. Von 1623 bis 1722 soll Johann Adam Reincken gelebt haben. Wenn man bei seinem Geburtsjahr auch nicht ganz sicher sein kann, eines steht fest: er war annähernd sechs Jahrzehnte Organist an der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen. Von Reincken ist bekannt, dass er ein großer Orgelimprovisator war. Wohl mit ein Grund, warum es von ihm nur ein einziges Orgelwerk gibt, das bis in unsere Tage überliefert wurde. Mit der Fantasie über den Choral "An Wasserflüssen Babylon" eröffnete Samuel Kummer, Organist der Dresdener Frauenkirche, das sechste sommerliche Orgelkonzert in der Konstantin-Basilika. Allein schon dieses Werk machte einen Besuch der Veranstaltung lohnend. Über 20 Minuten Musik über diesen Choral, der im letzten Jahrhundert durch die Gruppe Boney M. ("By the Rivers of Babylon") einige Berühmtheit erlangte, das ist eine kompositorische und eine interpretatorische Meisterleistung, zumindest wenn Kummer am Spieltisch sitzt.

Vielen Organisten ist diese Komposition zu anstrengend, sie wird nicht gerne gespielt. Kummer hatte sich offensichtlich intensiv mit dem Werk auseinander gesetzt, gestaltete mit vielen Affekten, großen, kleinen und kleinsten Nuancen, registrierte sehr überlegt. Das Ergebnis: großartige, in die Tiefe gehende Musik. Ebenso verhielt es sich mit den Choralvorspielen "Herr Jesu Christ, dich zu uns wend", BWV 655, und "Allein Gott in der Höh sei Ehr", BWV 663, von Johann Sebastian Bach, denen Kummer sehr viel Ausdruckskraft verlieh.

Schwacher Applaus trotz barocker Edelsteine



Er zeigte nicht nur auf, dass es sich auch hier um Meisterwerke der Orgelliteratur handelte. Er belegte auch, dass er ein Meister seines Faches ist. An diesen Edelsteinen der Barockmusik lag es nicht, dass der Applaus der knapp 250 Konzertbesucher am Ende nicht wirklich begeistert ausfiel. Das lag an Präludium und Fuge in h-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy, bei dem der erste Teil durchaus pikant, die Fuge aber leider etwas überhastet daherkam. Es lag auch an seiner Improvisation über Themen aus Dimitri Schostakowitschs fünfter Sinfonie und Richard Strauss' Alpensinfonie, die nicht wirklich packen konnte und vor allem an "Prélude, Adagio et Choral varié" über Veni Creator von Maurice Duruflé. Hier fehlte viel innere Ruhe, Gelassenheit; es war sehr schwer, den roten Faden aufzunehmen. Aber diese Mängel konnten dem überwältigenden Glanz des ersten Teiles nichts anhaben.

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