Fast schon ein kleines Wunder

TRIER. Ein reines Bach-Programm im schon traditionellen Silvesterkonzert von St. Paulin, und was fürs eins! Aber die Interpreten, an ihrer Spitze Joachim Reidenbach, übersprangen die hohen Hürden dieser Musik.

Es gibt sie noch, die kleinen Wunder. Da setzt Joachim Reidenbach die teuflisch schwere Bach-Kantate "Jauchzet Gott in allen Landen" aufs Programm des Silvesterkonzerts, und das Werk wird zum Höhepunkt eines an Schönheiten ohnehin reichen Konzerts.Mit Leichtigkeit und Schwung zum hohen C

18 meist junge Instrumentalisten im Basilika-Orchester St. Paulin kultivieren ein transparentes, bewegliches, leichtes und helles Klangbild. Die Geigerinnen Hanna Notte und Quyen Schmidt formieren sich im dritten Kantatensatz zu einem präzise verzahnten und lebendig korrespondierenden Duo. Marco Jakobs spielt die Solotrompete mit einem silbrig leichten, geschmeidigen Ton. Und dann vor allem Sabine Zimmermann. Ihr knabenhaft schlanker Sopran brilliert in den Koloraturen, zeichnet die Verzierungen gestochen klar nach, hat den weiten Atem für Melodiebögen, nimmt das hohe C im letzten Satz mit Leichtigkeit, ja mit euphorischem Schwung. Klangglanz und Anmut. Und ein anderer, ein aufklärerischer, ein fast gefälliger Bach. Das war der Grundton, der sich durchs Programm zog. Die Kantate 192 "Nun danket alle Gott" mit ihren ungewöhnlich breit angelegten Choralbearbeitungen - Joachim Reidenbach gab ihr einen fließenden, ja sogar galanten Tonfall mit. Die Solopartien waren beim substanzreichen Bass von Ulrich Krupp und wieder Sabine Zimmermann in besten Händen. Schade nur, dass das an sich vorzügliche, stimmstarke und präsente Vokalensemble St. Paulin zu abgezirkelt, zu eckig musizierte. Die beiden Instrumentalkonzerte: Im f-Moll-Cembalokonzert, das auf einem frühen Oboenkonzert Bachs beruht, blieb ein wenig Fremdheit spürbar, etwas Unvertrautes und auch Unartikuliertes. Aber das fünfte Brandenburgische Konzert! Da entwickelte sich das Basilika-Orchester zum beredten, flexiblen Partner der drei Solisten. Gerda Koppelkamm-Martinis warmer Flötenton, der leichte, helle Violinklang von Hanna Notte und Josef Stills farbenreiches Cembalo verbanden sich zu einem homogenen Trio. Freilich geriet der Mittelsatz zu eilig. Und doch klang auch hier ein feinsinniger, ein fast rokokonaher Tonfall mit. Josef Still distanzierte sich zudem von leer laufender Fingerfertigkeit und gab der großen Kadenz eine klare musikalische Gestalt. Sogar die abschließende Motette BWV Anhang 160, "Jauchzet dem Herren", in der Bach erst Telemann und dann eine eigene Komposition bearbeitet und der Amtsnachfolger Bachs, Johann Gottlob Harrer, einen weiteren Telemann-Satz angefügt hat - sogar bei diesem inhomogenen Werk fiel die Spannung nicht ab.Da war sie: die lichte, freudige Grundstimmung

Gewiss: Ein paar klangliche Differenzierungen hätten dem Mittelsatz gut getan. Und ganz sicher erreichen der erste und vor allem der letzte Satz nicht die Höhe Bachschen Komponierens. Aber Chor und Orchester musizierten präzise und doch leicht und federnd. Und da war sie wieder: die lichte, freudige Grundstimmung, die wie ein heller Schimmer dieses Konzert begleitete. Die Basilika St. Paulin war schon eine Dreiviertelstunde vor Konzertbeginn voll besetzt. Pastor Josef Mettel sprach zu Beginn von einem "Programm voller Dankbarkeit". Dankbarkeit - die nahm man tatsächlich mit.

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