Fesselnder Start

TRIER. Ein fesselnder, ein bewegender Saisonstart der Landesstiftung "Villa Musica" im Kurfürstlichen Palais Trier. Nicht nur Haydn, sondern auch die beiden Quartette des Mainzer Zeitgenossen Volker David Kirchner waren beim Streichquartett Villa Musica in den besten Händen.

Was für ein Kontrast! An Wänden und Decke im Kurfürstlichen Palais Trier aristokratisch-verspielte Rokoko-Ornamente und dazu Haydn. Straff, energisch, gradlinig, dynamisch und manchmal sogar herrisch - ein Bürgerkönig der Musik. Das Streichquartett Villa Musica ließ sich beim sinnfälligen Beginn des "Sonnenaufgangs"-Quartetts Zeit, holte weit aus und entfaltete dann einen wunderbar klaren, intensiven und differenzierten Musizierstil. Der großartige es-Moll-Mittelteil im langsamen Satz - welche bedächtige Tiefe. Menuett mit heiteren Pointen

Das Menuett mit seinen heiteren Pointen, welch unverspielter Witz! Im Quartett mit seinem verhaltenen Beginn lässt sich das "Villa Musica Quartett" nicht einen Moment auf die gefährlich naheliegende, aber verfehlte Idyllik ein, musiziert straff und vollklingend. Und trifft im ungewöhnlichen fis-Dur-Largo genau den hell-nachdenklichen Tonfall der Musik - "cantabile e mesto", "gesangvoll und traurig", schreibt der Komponist. Dazu durchweg eine vorbildliche Klangtransparenz - nicht durch gläserne Starre, sondern durch Teilhabe aller Instrumente am Geschehen, durch Vortritt und Zurücknahme, Akzent und Balance. Beste Voraussetzungen für Volker David Kirchners Quartett Nr. 4 und 5, die ganz von den Klangmöglichkeiten des Streichersatzes leben und direkt auf das Streichquartett zugeschrieben worden sind. Das Villa-Musica-Quartett musiziert die komplizierten und im Ergebnis doch nachvollziehbaren und übersichtlichen Partituren des Mainzer Komponisten mit äußerster Präzision, realisiert die Viertelton-Triller, die Spielweisen am Steg oder am Griffbrett, die hellen eigentümlich pfeifenden Flageolett-Klänge, die Schläge mit dem Bogenholz gegen die Saiten, die diffizilen Rhythmen so sorgfältig, dass aus der Vielfalt der Details wunderbar leuchtende Klangbilder entstehen - dunkel und verhalten mit dramatischen Einsprengseln das vierte "Inschrift", dramatisch sich aufbäumend, an Anfang und Schluss planvoll leer klingend das fünfte Quartett. Und trotz aller Präzision kultiviert das Streichquartett Villa Musica eine ausgeprägte Organik und zeichnet damit die Metamorphosen nach, die die Motive im fünften Quartett durchlaufen. Erneut stellt sich die Musik in reizvollem Gegensatz zum wunderschönen, stilvoll umgrenzten Palais. Denn Kirchner beschwört in seinen ausholenden Linien, seinen lang gestreckten, liegenden Tönen weiteste Räume und mit den auffälligen leeren Quinten des vierten Quartetts unklischierte Archaik dazu. Träume vom Fernen und zugleich Nahen, von fremden Welten, in denen ein Rest des Vertrauten bleibt. Moderne Musik schlechthin. "Leben ist Tod, und Tod ist auch Leben" zitiert der Komponist im fünften Quartett Friedrich Hölderlin. Es herrschte Begeisterung im voll besetzten Saal. Volker David Kirchner trat auf die Bühne und dankte den Interpreten.

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