"Fiesta, muchachos!"

TRIER. Latino-Superstar Juanes lud mit seiner Band zu einer lateinamerikanischen Fiesta ein. Zweitausend feierten den kurzen, aber heftigen Sommereinbruch in der Europahalle. Der Volksfreund präsentierte das Konzert.

Beim zweiten Lied ist alles gut. Vergessen ist der strömende Regen draußen. Vergessen das Verkehrschaos. Vergessen die tropfnasse Jacke, die irgendwo zwischen leeren Boxenkästen im Foyer herumliegt, weil die Garderobe schon eine halbe Stunde vor Konzertbeginn wegen Überfüllung schließen musste.Mitsingen ohne R

Jetzt regiert der Rhythmus. Spanische Gitarrenlinien, halbakustisch und elektrisch. Ein wummernder Bass. Die klare und sanfte Stimme wechselt zwischen tiefen Brusttönen und hoher, ein bisschen gepresster Kopfstimme, die so typisch traditionell südamerikanisch klingt. Juanes strahlt Selbstsicherheit aus. Echtheit. Und Sex. Das Jacket mit den goldenen Knopfreihen hat er abgelegt. In schwarzem T-Shirt und schwarzer Hose läuft er über die Bühne. Kein übertriebener Latino-Hüftschwung, keine Folklore, keine aufwändige Bühnenshow. Nur Juanes. Die Reggae-, Rumba- und Salsa-Rhythmen fahren in die Beine, egal wie alt. Das Publikum zuckt mit den Hüften. Mädchen im Teenageralter, Frauen von 30 bis 60 mit und ohne ihre Männer. Musikkenner. Und Studenten. Viele davon aus Spanien oder Südamerika. Die singen beinahe alle Texte mit. Nicht nur, weil sie Spanisch können, sondern weil Juanes in ihrer Heimat seit Anfang der 90er ein Star ist. Und ihre Hüften zucken auch nicht nur, sondern drehen und wiegen und ruckeln im Takt, wie es nordeuropäische Hüften wohl kaum vermögen. Bei "Camisa negra" können auch die mitsingen, die Juanes erst kennen, seit dieses Lied im vergangenen Sommer die deutschen Charts stürmte. Zumindest den Refrain, auch wenn das R nicht rollt. Juanes wechselt die Gitarren wie andere Superstars die Bühnenoutfits. Irgendwas mit "Fiesta" und "muchachos" ruft er seinen Sprachgenossen zu. Die reagieren mit Springen, Tanzen, Schreien. Warme, feuchte Luftmassen wabern in Brusthöhe. Die Stimmung kocht. Dass Juanes mal mit Heavy-Metal-Musik seine Karriere begonnen hat, ist deutlich zu hören. Die Gitarren werden härter, das Schlagzeugsolo dauert mehrere Minuten. Aber Juanes ist nicht nur Superstar und Sexsymbol. Er kämpft für Freiheit, Sicherheit und Demokratie in Kolumbien. Viele seiner Texte sind politisch. Vor "Suenos" erklärt er, dass sein Heimatland alleine den Kampf gegen die Terror-Banden nicht gewinnen könne. Das sagt er auf Englisch. Im Publikum wehen blau-gelb-rote Flaggen. Nach 70 Minuten verabschieden sich Juanes und seine Band mit "A dios le pido" von der Bühne. Und kommen nach lauten "Otra-, Otra"-Rufen wieder, um den Sommereinbruch in Trier noch um eine halbe Stunde zu verlängern. Danach ist die Fiesta vorbei, draußen ist wieder Deutschland. Ein Ordnungshüter schreibt Knöllchen am laufenden Band und klemmt sie den wild auf dem Viehmarkt parkenden Autos hinter die Windschutzscheibe. Der Regen läuft ihm in den Kragen.

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