Freunde sein, Glück allein?

Trier · "Grafiti"-Theaterfestival II: Eigenproduktion "The Family you choose" zieht Publikum in einen Strudel aus Fragen und Gedanken zum Thema Freundschaften.

 Sprachlosigkeit gehört dazu. Andreas Widenka und Renee Touschong zeigen, wie es aussieht, wenn Freunde sich nichts mehr zu sagen haben. TV-Foto: Katharina Hahn

Sprachlosigkeit gehört dazu. Andreas Widenka und Renee Touschong zeigen, wie es aussieht, wenn Freunde sich nichts mehr zu sagen haben. TV-Foto: Katharina Hahn

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Trier (kha) Das regelmäßige, durchdringende Piepen der Herzmaschinen, dem Ohr bereits aus jeder Arztserie bekannt, hallt von den Wänden der stockfinsteren Studiobühne wider. Als es hell wird, bietet sich ein groteskes Bild: Ein junger Mann sitzt wie bewusstlos auf einem Stuhl, sein Handy im Schoß. Von dort aus windet sich eine Kanüle, fast wie Ladekabel, bis zu seiner Armbeuge. Saugt es ihm das Leben aus, oder hält es ihn am Leben? Um ihn herum tauchen nach und nach seine Freunde auf. Im Halbdunkel sprechen sie einen Gruppenchat nach und beschweren sich über ihren ehemaligen Gefährten, der schon so lange nichts mehr von sich hat hören lassen, der ihre Nachrichten und Anrufe ignoriert, sich quasi selbst zurück in die Steinzeit befördert.
"The Family you choose" heißt das von der Theatergruppe Thunis selbst verfasste Stück, das im Rahmen des studentischen Theaterfestivals "Grafiti" aufgeführt wird. Es dreht sich um Freundschaft, vor allem um die Probleme, die, oft verursacht durch digitale Kommunikationsmedien, mit ihr verbunden sein können. In 16 lose zusammenhängenden Sequenzen, mal harmonisch gesungen, mal balletthaft getanzt, mal grandios gespielt, durchleben die Zuschauer mit dem Ensemble das ganze, oft schmerzhafte Spektrum emotionaler Verbindungen. Zwei Freundinnen, eine in Japan, eine in Deutschland, müssen lernen, dass auch regelmäßige Video-Telefonate die räumliche Distanz nicht überbrücken können, sondern emotionale Distanz schaffen. Bis man sich irgendwann zufällig auf der Straße begegnet, peinliches Schweigen inklusive, sich halbherzig für irgendwann mal auf einen Kaffee verabredet und jede schon vorher weiß, dass es zu diesem Treffen nie kommen wird. Jeder kennt solche Szenen, und das ist eine der großen Stärken der Inszenierung.
Dem Publikum stockt in der voll besetzen Studiobühne auch mal kollektiv der Atem, so authentisch bringen die Darsteller das Thema Freundschaft auf die Bühne.

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