Frischer Wind in alten Pfeifen

Trier. Ein Ausnahmetalent aus Lettland brachte das Trierer Dom-Publikum zu Begeisterungs-Stürmen. Iveta Apkalna beeindruckte mit einem brillanten Orgel-Konzert.

Bei Musikern, insbesondere bei jenen, die ernste Musik machen, und im bunten Blätterwald der Presse vermarktet werden, sollte man mit den Erwartungen vorsichtig sein, wenn sie im Konzert auftreten. Bemerkungen wie "noch nie klang Orgel so sexy" (Vogue) oder gar Attribute wie "Ausnahmekünstlerin" (Ostsee Zeitung) sollten die kritische Augenbraue hochschnellen lassen. Zugegeben, in einem Punkt hat Iveta Apkalna, die junge Solistin des zweiten Konzertes der Internationalen Orgeltage im Trierer Dom, den meisten ihrer Berufskollegen etwas voraus. Sie hat ein bezauberndes Äußeres, ein einnehmendes Lächeln und eine äußerst charmante Art, auf ihr Gegenüber zuzugehen. Aber, kann sie deshalb auch so gut Orgel spielen, dass sich selbst Publikationen, die sonst von dieser Art Musik eher Abstand halten, auf sie aufmerksam werden? Sie kann! Apkalna hatte drei Werke lettischer Komponisten in ihrem Reisegepäck, von denen in unseren Breiten wohl kaum jemand je etwas gehört haben dürfte. Dazu gab es den Franzosen Thierry Escaich, Sergej Prokofiev und Camille Saint-Saëns. Inmitten dieser Zusammenstellung fand sich dann der Komponist, an dem sich die Spreu vom Weizen trennt: Johann Sebastian Bach. Von ihm erklangen Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur, BWV 564. Die Luft, mit der eine Orgelpfeife dazu überredet wird, einen Ton von sich zu geben, nennen die Fachleute den Wind. Ein schönes Bild für das, was die erfreulich vielen Zuhörer in der Trierer Mutterkirche erleben durften, nämlich eine junge Organistin, die frischen Wind in die Orgelpfeifen bläst. Pikant wird diese Metapher, wenn man den Vermutungen glauben schenken will, dass Bach gerade mit diesem Werk eine Orgelabnahme durchgeführt hat, sie also auch auf den Wind überprüft hat. Technisch gesehen spielte Apkalna hier, wie auch in allen anderen Werken, perfekt. Musikalisch baute sie in der Toccata einige Stolpersteine für ihre Zuhörer ein, ließ sie aufhorchen, genau hinhören. Wer sich zurücklehnen wollte, wurde wachgerüttelt. Sie machte keine Fehler, sie setzte Akzente. Die Fuge ähnelte einem großen Sommerfliederstrauch, um den bei strahlendem Sonnenschein Massen von Schmetterlingen schwirrten. Auch mit den anderen Werken zeichnete Apkalna Bilder, die manchmal nicht ganz mit überkommenen Vorstellungen in Einklang zu bringen waren. So etwa mit Peteris Vasks "Te Deum", das endlich einmal so gar nichts mit dem inbrünstigen "Großer Gott, wir loben dich" zu tun hatte, sondern viel subtiler den alten Lobpreis gestaltete. Maija Einefeldes "Ave Maria" war nicht die süßliche Umschreibung einer uns allen entrückten Gottesmutter, sondern die Verneigung vor einer ganz normalen Frau und Mutter, mit all der Freude und dem Leid, die das Leben mit sich bringt. Esaichs "Évocation II" hätte so manchen Techno-Freak restlos begeistert, so intensiv ergoss sich diese Verarbeitung uralter Themen vom Schwalbennest in den Dom. Ein brillantes Konzert von einer technisch ausgezeichneten Solistin. Schade, das so etwas eine Ausnahme ist. Iveta Apkalna gibt ein weiteres Konzert am Sonntag, 28. August, 15 Uhr im Kloster Himmerod - vom Trierischen Volksfreund präsentiert.

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