Ganz großes Gemeinschaftswerk

Antikenfestspiele mal ganz anders: 30 Laiendarsteller und einige wenige Profis setzten im Rahmen eines Projektes des Bürgerhauses Trier-Nord den antiken Flüchtlingsmythos des Trojaners Aeneas zeitgemäß in Szene.

 Spektakulärer Auftakt für das Theaterstück „Aeneis“ vor den Viehmarkt-Thermen: Waffenträger vertreiben Aeneas und seine Familie und setzen die Stadt in Brand. TV-Foto: Friedemann Vetter

Spektakulärer Auftakt für das Theaterstück „Aeneis“ vor den Viehmarkt-Thermen: Waffenträger vertreiben Aeneas und seine Familie und setzen die Stadt in Brand. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. (tab) Verirrt in den Katakomben der Viehmarktthermen. Gefangen in einer Geschichte, in der nur das Schicksal über den Ausgang entscheidet. Hilflos als Flüchtling in unbarmherzigen Behörden. Das ist einerseits große griechische Tragödie, andererseits bestürzend aktuell.

Der kanadische Autor Olivier Kemeid schuf aus Vergils antiker Vorlage ein zeitgemäßes Flüchtlingsdrama, Regisseur Florian Burg macht daraus ein packendes, schlüssiges Stationentheater, in dem den Zuschauern die Rolle der Flüchtlinge zufällt.

Laut knallend beginnt das Stück draußen auf dem Viehmarkt mit chaotischen Kriegsszenen, einem Paar, das sich vor bewaffneten Plünderern eng umschlungen hält. Viele Theatergäste bleiben zögernd zurück und wollen das Spiel lieber von Ferne beobachten. Doch verstecken ist nicht drin, das Publikum landet mitten im Geschehen. Der Weg zur nächsten Station führt über einen typischen Warencontainer, wie er täglich im Hamburger Hafen verschifft wird. Alle müssen da durch. So wie sie auch manchmal minutenlang vor anonymen Schreibtischen warten.

Gekonnt werden aktuelle Fluchtstationen mit denen der antiken Aeneis vermengt. Die Viehmarktthermen und das angrenzende Parkhaus werden für die einzelnen Stationen immer überraschend genutzt. So gerät die Betonwüste im Parkhaus zur Kulisse für Folter, Leid und Elend auf der Flucht, übertragen auf Kleinbildfernseher.

Ein Schluck Wasser im Flüchtlingslager, dann entbrennt die finale Schlacht. Am Ende doch etwas Hoffnung: Ein Bauer eröffnet den steinigen Weg ins eigene Land. Gesäumt von Leichen zwar - aber Aeneas und sein Sohn Ascanius erreichen ihr Traumland und gründen Rom.

Autor Kemeid, eigens aus Kanada angereist, ist begeistert von dem Trierer Theaterprojekt. Einen gelungenen Appell für Toleranz und Verständnis können die Initiatoren um Bürgerhaus-Chef Bernd Weihmann verzeichnen.

Vor allem aber bleibt die herausragende Arbeit des Regisseurs und der Produzenten mit einer über sich hinauswachsenden Darstellerschar, der mit Titelheld Raimund Wissing nur ein einziger Vollprofi angehört. Und ein Raumkonzept, das nach Fortsetzung schreit.

Letzte Aufführung: Heute, Samstag, 17. Juli, um 20 Uhr.

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