Ganz ohne Paprika geht die Chose nicht

TRIER. Eine "Czardasfürstin" fern von billigen Ungarn-Klischees zeigt Gerhard Weber mit seiner Neuinszenierung der beliebten Kalman-Operette. Doch beim löblichen Verzicht auf Puszta und Piroshka ging leider auch der Paprika etwas verloren.

Emmerich Kalmans im Jahr 1915, also mitten im Ersten Weltkrieg entstandene Operette "Die Czardasfürstin" ist - neben der "Fledermaus" - jenes Werk der leichten Muse, das am stärksten den Grenzbereich zur "großen Oper" streift. Das hat mit der substanzreichen Musik zu tun, aber auch mit einer Handlung, die komödiantische Elemente an durchaus tief schürfende Themen koppelt. Gerhard Weber tut also gut daran, dass er die Geschichte von der Chansonette Sylva Varescu, die ihrem hochadligen Freund Edwin erst dann als Ehefrau genügt, als sie durch eine Schein-Heirat ihrerseits einen Adelstitel erworben hat, ernst nimmt. Es geht, vor der lustigen Kulisse der Irrungen und Wirrungen, auch um Themen wie Verrat und Standesdünkel, und Weber opfert sie nicht auf dem Altar einer triefenden Operettenseligkeit. Er stellt sie aber auch nicht übertrieben in den Mittelpunkt, wie manch moderne Inszenierung. Dirigent Christoph Jung und die gut aufgelegten städtischen Philharmoniker fühlen sich dem gleichen Konzept verpflichtet. Da wird akribisch darauf geachtet, dass das übliche Operetten-Geleier unterbleibt, da wird die Musik auf Inhalt abgeklopft, da musiziert man auch dramatische Akzente aus, statt einen Tanzteppich auszulegen. Und trotzdem ist reichlich Feuer dahinter, wo es darauf ankommt. Erfreulich die eigene, kräftige Handschrift des jungen Kapellmeisters. Ebensowenig zu übersehen: Die unkonventionellen, die gebräuchliche Hupfdohlen-Bebilderung bei weitem sprengenden Tanz-Choreographien von Sven Grützmacher, nicht ohne ironische Anspielungen, manchmal fast schräg. Und auch die Ausstattung von Walter Perdacher schafft es, klassischen Augenschmaus und große Tableaus zu liefern, ohne in platte Pseudo-Folklore zu verfallen. Die Schauplätze im Budapester Club "Orpheum" und im hochherrschaftlichen Wiener Fürstenhaus sind angemessen imposant, verlangen aber keine großen Umbaupausen. So weit, so gut. Das Problem ist, dass bei der sorgfältigen, handwerklich sehr genau gearbeiteten Erzählweise der Pep streckenweise gänzlich auf derselben bleibt. Vor allem im ersten Akt dominiert derart die Betulichkeit, dass die Theaterklingel nach der Pause Überstunden machen muss, um den Saal wieder zu füllen. Das Problem liegt auch ein wenig in der Hauptrolle. Vera Wenkert ist überzeugend, wo sie eine eigenständige, ernsthaft liebende, verletzte Frau spielt. Für eine Czardasfürstin, die (laut Programmheft) "Wildheit, Lust, Begierde, Ausschweifung, Ekstase" verkörpert und deren schierer Anblick alle Männer - und manche Frauen - um den Verstand bringt, fehlt ihrer Körpersprache das Spielerische. Da kommt das Stück nicht so recht in die Gänge, zumal im ersten Akt noch orchestrales Ungestüm und sängerische Zurückhaltung aufeinander treffen, was dazu führt, dass man von den Liedtexten kaum etwas versteht. Das bessert sich im zweiten und dritten Akt, vor allem bei Thomas Kiessling, der seinen Grafen Edwin überzeugend zwischen dem ernsthaft Liebenden und dem komischen Lebemann balanciert.Souveräne Charakterstudien

Die "Theater-Veteranen" Ferry Seidl und Nick Herbosch liefern als Schlawiner Feri Bacsi und steifer Fürst von und zu Lippert-Weylersheim zwei herrliche, souveräne Charakterstudien, begleitet von Andras Magyar und Angelika Schmid. Überzeugend auch in kleinen Rollen die Chor-Solisten Cynthia Nay, Carsten Emmerich und Jürg Huggler. Das Herz dieser Produktion aber schlägt beim in jeder Hinsicht gewandten, listigen, lustigen Grafen Boni von Peter Koppelmann. Da sitzt jede Geste, jede Bewegung, jeder Schritt, da ist jemand sichtlich in seinem Element. Und hat mit Evelyn Czesla als Komtesse Stasi eine starke, vor Spielfreude sprühende Partnerin. Dank der besseren zweiten Hälfte holt sich das Ensemble am Ende einen verdient freundlichen Schlussbeifall ab. Direkt vom Theatersitz gerissen fühlen sich die meisten Besucher offenkundig dennoch nicht. Nächste Vorstellungen am 3., 12., 14., 17. und 25. Februar.

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