Gebremster Schaum

Trier. (gkl) Das sechste Sinfoniekonzert des Trierer Orchesters setzte den Schwerpunkt auf Kompositionen von Béla Bartók und Ludwig van Beethoven.

Ein Baum von einem Mann, ein Hüne, so beschreibt man am besten das Erscheinungsbild von Felix Schwartz, Professor für Bratsche an der Musikhochschule Rostock und Solist des sechsten Sinfoniekonzertes im städtischen Theater in Trier. Recherchiert man ein wenig über Schwartz, so findet man Bilder eines Mannes in Lederjacke, den man sich eher auf einem schweren Motorrad vorstellt als mit einer Viola in der Hand. Wie Bilder doch täuschen können. Aus dem sehr schmalen Repertoire für Solobratsche hatte Schwartz das Konzert von Béla Bartók mit an die Mosel gebracht und schuf sich damit eine Plattform, von der aus er das Publikum restlos für sich einnehmen konnte.Mit Virtuosität und Gefühl

Mit Virtuosität und Gefühl, Poesie und einem gewissen Maß an Aggressivität ging Schwartz dieses Werk an, das sein Komponist nur in Fragmenten hinterlassen hat. Wenn auch viele Musikwissenschaftler Zweifel daran haben, ob die vorliegende Fassung wirklich dem Willen Bartóks entspricht, atmet das Konzert doch deutlich den Geist seines Schöpfers, besitzt all die Elemente, die für Bartók so typisch sind. Es waren weniger die überragenden technischen Fähigkeiten, die Schwartz' Spiel so überzeugen ließen. Vielmehr war es die Seele, die er der Musik insbesondere im zweiten Satz verlieh. Dort konnte man sich im samtigen Klang seines Instrumentes in eine lyrische, meditative Welt getragen fühlen. Eine Interpretation, die auch jene ansprechen konnte, deren Musikvorliebe nicht unbedingt in diesem stilistischen Bereich beheimatet ist. Ein Kompliment muss man auch der Trierer Philharmonie machen, die sich ganz und gar auf die Wünsche von Schwartz einstellte und eine adäquate Basis für den Solisten bildete. Schon vor Bartók hatten sie mit Schwung und guter Laune in Ernst von Dohnánys "Symphonische Minuten" beherzte Kurzweil im Trierer Theater verbreiten können. Wie anders nach der Pause. GMD István Dénes hatte mit der achten Sinfonie, Opus 93, von Ludwig van Beethoven einen Klassiker auf das Programm gesetzt. Folgte man dem Programmheft, sollte es ein Feldzug gegen das romantische Bild des Komponisten sein, heraus aus der opulenten Ecke in die archaisch nüchterne Welt der Klassik. Das entspricht den heutigen Gepflogenheiten, die von Meistern der authentischen Spielweise, wie Nicolaus Harnoncourt, angeführt werden. Was aber in Trier erklang, war eine merkwürdige Melange, die nicht eingeordnet werden konnte. Es war nicht Fisch und nicht Fleisch. Die fundamentale Schwere, wie man sie weiland von Wilhelm Furtwängler oder Herbert von Karajan kannte, fehlte, aber die begeisternde Verve der Klassik fehlte auch. Es war eine Sinfonie zwischen den Welten. Vom Orchester sauber, ohne Fehl und Tadel gespielt, das muss ausdrücklich vermerkt werden. Das half aber nicht, dem Werk mitreißende Farbe zu verleihen. Ein quicklebendiges Werk war angekündigt. Ein Versprechen, das nur mit sehr gebremstem Schaum umgesetzt wurde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Aus dem Ressort