Gefangenenchor im Gladiatorenrund

TRIER. Restlos ausverkauft war die vom Trierischen Volksfreund präsentierte Freiluftaufführung von Giuseppe Verdis früher Oper "Nabucco”. Mehr als 2200 Trierer und Opernfreunde aus dem Umland füllten das Amphitheater bis in den letzten Winkel.

 Schöne Kostüme im Amphitheater: Verdis weltberühmte Oper "Nabucco" in Trier.Foto: Willi Speicher

Schöne Kostüme im Amphitheater: Verdis weltberühmte Oper "Nabucco" in Trier.Foto: Willi Speicher

Wo einst Gladiatoren hitzige Kämpfe ausfochten, herrscht an diesem Abend eine Hitze wie im Vorderen Orient. Da sollte es nicht schwer fallen, sich ins Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris zu versetzen. Zumal an den Längsseiten Tor-große Gesetzestafeln aufgestellt, die Gassen auf die Bühne durch Relief-Friese verkleidet sind. Sie setzen sich seitlich fort und münden linker Hand in eine Statue des Baal, die für einen bevorstehenden Blitzeinschlag bereits sichtlich perforiert ist. Im vierten Akt wird die heidnische Gottheit dann zu wildem Scheinwerfergeflacker in zwei Hälften gespalten. Da können die künstlichen Augen vor Neid nur noch böse aufglühen: Gelb wie in der Geisterbahn. Ja, auch moderne Technik ist allgegenwärtig im Amphitheater. Einige Damen erfrischen sich mit niedlich summenden Handventilatoren. Und vor der Ouvertüre beschallen die Lautsprecher (zum Warmlaufen?) das Publikum dezent mit Schlagermusik. Als Verstärker von Orchester und Stimmen wirken die Riesenboxen mit ihrem Nachhall fast überpräsent. Wäre die Tontechnik am Ende der großen Pause auch so wirkungsvoll eingesetzt worden, um den Beginn des dritten Akts ("Die Prophezeiung") anzukündigen, dann hätten nicht noch ein paar Hundert Besucher an Würstchenbude und Bierzelt gestanden, als Dirigent Wilhelm Keitel schon längst wieder den Taktstock schwang. Immerhin ist man um das Verständnis der Handlung von Verdis biblischer Oper um die babylonische Gefangenschaft der Hebräer besorgt. In jeden der vier Akte führt via Lautsprecher die Bardenstimme eines Märchenonkels ein, unterlegt von mystischen Streicherakkorden. Und der italienisch gesungene Text von Temistocle Solera wird in deutscher Übersetzung übertitelt. Freilich, unkontrollierte Technik hat auch ihre Tücken, und so ist das Schriftband seiner Zeit meist weit voraus. Unfreiwillig komisch wird das, wenn ausgerechnet der Hohepriester Zaccaria plötzlich die "heißgeliebte" Fenena besingt. Erst nach der Pause finden sich Gesang und Übertitel des öfteren zusammen.Die Kostüme waren nett anzuschauen

Ein Regisseur oder Spielleiter wird im Programmheft übrigens bezeichnenderweise nicht genannt. Nun ist "Nabucco" auch weiß Gott kein Stück, das sich zur szenischen Aufdeckung psychoanalytischer Abgründe eignet. Aber ein bisschen mehr Interaktion statt hohler Operngesten hätte man sich dann doch gewünscht. Und auch von einer Tournee-Produktion darf man wohl etwas mehr Geschick bei der Ausleuchtung der Bühne erwarten als die von Szene zu Szene einander abwechselnden Bonbonfarben Pink, Türkis und Violett. Die Kostüme: Ja, sie waren passend und hübsch anzuschauen. Und die Solisten sangen, sofern das durch die Verstärkung hindurch zu beurteilen war, kraftvoll: Dino di Domenico tenoral draufgängerisch den Hebräerfürsten Ismael und Tamara Glagolewa eine schneidend intrigante Abigail. Bariton Nikolai Moiseenko in der Titelpartie und Christain Tschelebiew als Hohepriester ließen dabei auch noch ihr Vibrato flackern. Und Mezzosopranistin Monica Minarelli verkörperte die liebende Babylonierprinzessin Fenena mit echter vokaler Passion. A propos: "La Passione" nannten sich die Kollektive unter Wilhelm Keitels straffer Leitung. Echter Verdi-Schwung kam im Orchester eher selten auf. Aber eine "Nabucco”-Aufführung steht und fällt in der Gunst des Publikums ja auch vor allem mit dem populären Gefangenenchor. Und der war an diesem Abend echt klangvoll gesungen.

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