Geigen-Glanz und Orchester-Routine

LUXEMBURG. Ihr wunderbar satter, runder und doch feiner Geigenklang ist unübertrefflich. Indes: Tat Anne-Sophie Mutter gut daran, drei Mozart-Konzerte in der Philharmonie zwar mit dem versierten London Philharmonic Orchestra, aber ohne Dirigenten zu musizieren?

 Höchst konzentriert: Anne-Sophie Mutter spielt Mozart. Foto: Sébastien Grébille/Philharmonie

Höchst konzentriert: Anne-Sophie Mutter spielt Mozart. Foto: Sébastien Grébille/Philharmonie

Mozarts Violinkonzerte - schöne, aber harmlose Augenblicke in der Gattungsgeschichte? Anne-Sophie Mutter verleiht Mozart in ihrem seit langem ausverkauften Philharmonie-Auftritt Nachdruck, Anspruch, Gewicht, betont die Zugehörigkeit der Konzerte B-Dur, KV 207, G-Dur, KV 218 und A-Dur, KV 219 zur ganz großen Kunst. Keine Augenblicksmusik

Die Kadenzen entwickelt sie zu eigenen kleinen Solodarbietungen, weitet sie, als stünde ein romantisches Konzert auf dem Programm. Manche Kantilenen spinnt sie mit wunderbar ätherischem, fast vibratolosem Ton aus, in anderen Passagen greift sie beherzt zu - immer makellos, einheitlich, frei von willkürlichen Klangveränderungen und vor allem im A-Dur Konzert doch mit einer Vielzahl von schlüssigen Nuancierungen. Dieser Mozart ist ganz gewiss keine Salzburger Augenblicksmusik. Anne-Sophie Mutter nimmt diese kapriziösen und dann doch wieder ganz innig-ernsthaften Kompositionen so, als gehörten sie zur großen, gewichtigen Konzertliteratur des 19. Jahrhunderts. Sie klingen, als habe Mozart beim Komponieren schon an Beethoven, Mendelssohn und Brahms gedacht. Nur: Wo bleibt das Spontane, Spielerische, Charmante dieser Musik? Zumal beim London Philharmonic Orchestra die ergänzenden Impulse ausblieben. Nach einem allzu forschen Start verlegten sich die Musiker auf Orchester-Routine. Hochrangige, zweifellos. Keine Frage, dass einer der weltbesten Klangkörper nicht patzt, homogen und kultiviert musiziert und den leichten, substanzreichen Streicherklang ebenso beherrscht wie die Artikulations-Vielfalt, ohne die eine Mozart-Interpretation nicht auskommt. Und doch: Ohne Dirigenten wollten sich künstlerische Konturen nicht einstellen. Der Mozart dieses Abends pendelte zwischen Überinterpretation und Profillosigkeit. Trotz Geigen-Glanz und orchestraler Kompetenz - diese Interpretation wirkte schwer, freudlos und angestrengt. Schlusstakte im A-Dur-Konzert. Die unnachahmlich elegante Geste, in der Mozart mit leichter Hand das Werk präsentiert und zugleich Neues anzukündigen scheint. In den vollklingenden Applaus der 1500 Philharmonie-Besucher mischen sich nur leise Bravorufe. Anne-Sophie Mutter stellt sich eher mühsam lächelnd vor das gleichfalls applaudierende Orchester, verbeugt sich, wird mehrmals aus den Kulissen gerufen. Zugabe? Nein, keine Zugabe!

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